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Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Willkommen auf Skios: Roman (German Edition)

Titel: Willkommen auf Skios: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Frayn
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Sie war am Flughafen gewesen, um ihn abzuholen. Er war auf Skios. Und doch war Oliver Fox urplötzlich in dem Augenblick, in dem er sich zu Dr. Norman Wilfred ernannt hatte, irgendwie in den Besitz von Dr. Norman Wilfreds Pass gekommen.
    Er hatte demnach den echten Dr. Norman Wilfred verschwinden lassen. Ihn entführt. Gekidnappt.
    Aber wie? Er konnte es wohl kaum allein getan haben. Vor allem da er die ganze Zeit mit ihr zusammengewesen war und vergnügt dabei zugesehen hatte, wie sie sich immer hoffnungsloser in dem Netz verstrickte, das er gesponnen hatte. Er musste Komplizen haben. Sie mussten es getan haben, und zwar nicht urplötzlich, sondern gemäß einem sorgfältig und lange zuvor ausgearbeiteten Plan. Sie mussten Waffen und Verstecke haben.
    Vielleicht war das alles doch kein Scherz. Es war etwas ganz anderes. Vor ihrem geistigen Auge sah sie Mrs. Toppler, die mit Oliver Fox sprach, ihm die Hand auf den Arm legte, ihm alles erzählte. Und dann Oliver Fox, der mit Mrs. Skorbatowa sprach. Und Mrs. Skorbatowa, die plötzlich Englisch verstand.
    Und Mr. Skorbatow, der die Trauben mit der kleinen silbernen Schere abschnitt. Sie dachte daran, wie er die Schere mit chirurgischer Ruchlosigkeit gehalten und benutzt hatte und wie die Trauben eine nach der anderen in seinem Mund verschwunden waren, schnapp, wie eine Fliege im Maul einer Eidechse …

45
    Hinter der Bougainvillea, die den Parkplatz abschirmte, schnurrten die dicken Limousinen und die Vierradantriebe so zufrieden wie wohlgenährte Katzen, während die Chauffeure die Sitze nach hinten kippten und es sich für ein, zwei Stunden klimatisierten Schlafs bequem machten.
    Im Pförtnerhäuschen gähnte Elli und rief ihre Mutter in Thessaloniki an.
    An der Schranke vor dem Häuschen hatte Giorgios den Wachdienst übernommen, solange die anderen Sicherheitsleute beim Essen waren. Er hatte nichts zu tun. Alle Gäste waren längst da. Er setzte sich im Dunkeln unter einen Oleander und zündete sich eine Zigarette an. Kaum hatte er den ersten tröstlichen Zug gemacht, als die Lichter eines sich nähernden Autos auftauchten. Müde stand er auf und trat die Zigarette aus. Dieser Job hatte gewisse Vorteile, wohl wahr, aber er hatte weniger Gelegenheit, entspannt eine Zigarette zu rauchen, als wenn er nach undichten Stellen in einer Gasleitung gesucht hätte.
    Das vertraute ΣΚΙΟΣ ΤΑΞΙ. Spiros oder Stavros? Stavros. Giorgios schlenderte zu ihm hin und schüttelte ihm die Hand, während Stavros’ Fahrgast, eine Frau, die ein Abendkleid aus komplizierten Falten und Girlanden aus Tüll trug, hinten ausstieg. Giorgios und Stavros hatten sich viel zu erzählen. Stavros’ Mutter war eine Cousine von Giorgios’ Tante, und sie hatten sich nicht mehr gesehen, seit Onkel Panagiotis mit dem Mädchen aus der Eisdiele durchgebrannt war.
    »He!« unterbrach sich Stavros plötzlich. Er sprang aus dem Taxi und schaute sich um. Sein Fahrgast duckte sich gerade unter der Schranke durch und verschwand in der Dunkelheit des Stiftungsgeländes, den Tüll gerafft.
    »Einladung!« rief Giorgios und lief ihr nach.
    »Zweiunddreißig Euro!« rief Stavros und lief Giorgios nach.
    Auch im Hafen ereigneten sich kleinere Turbulenzen. Eine einlaufende Yacht, Happy Days , registriert in Izmir, war in der Dunkelheit gerade mit etwas Großem, Massivem zusammengestoßen.
    »Tut mir leid«, sagte der Mann am Steuer mit einer Stimme, die nach kostpieliger englischer Erziehung klang. »Aber es war nur der Lack.«
    »Patrick ist schon wieder hackedicht!« sagte eine zweite vergleichbare Stimme. »Kann nicht jemand anders das Steuer übernehmen?«
    »Problem ist«, sagte eine dritte ähnliche Stimme, »dass wir alle genauso hackedicht sind wie Patrick.«
    »Schaut nur!« sagte eine vierte Stimme. »Sind wir da reingefahren? Sieht aus wie ein Flugzeugträger!«
    Über der Reling oberhalb von ihnen tauchten Köpfe auf und schrien etwas in einer fremden Sprache.
    »O mein Gott!« sagte die dritte Stimme auf Happy Days . »Russen! Und sie fuchteln mit so Dingern rum!«
    »Maschinenpistolen«, sagte die zweite Stimme.
    »Entschuldigen Sie bitte«, rief die vierte Stimme zu ihnen hinauf. »Der Steuermann ist hackedicht!«
    Happy Days tuckerte leise in die Dunkelheit davon und prallte mit beruhigender Härte gegen die Kaimauer. Die drei Männer, die sich nicht am Steuer festhielten, stürzten zu Boden und lachten.
    »Er hat uns immerhin in den Hafen gefahren«, sagte die dritte Stimme. »Der gute alte

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