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Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Titel: Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Kehrer
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zwar die Zimmer gebucht, aber die Firma sah sich außerstande, die Rechnung zu begleichen. So müssen wir, zu unserer eigenen Sicherheit, die Zimmer einzeln berechnen. Selbstverständlich erhalten Sie den Betrag zurück, wenn das Konto noch ausgeglichen wird. Ich fürchte allerdings, dass dies nicht der Fall sein wird. Mega Art befindet sich, wie wir bei unserer Überprüfung feststellen mussten, in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen.«
    Bekümmert kehrte ich zur Rezeption zurück. »Wie hoch ist denn die Rechnung?«
    Wortlos schob sie mir einen Computerausdruck unter die Augen. Unterhalb der langen Liste prangte in fetten Ziffern ein vierstelliger Betrag. Getreu dem alten Fußballer-Motto: Zuerst hatten wir kein Glück, und später kam auch noch Pech hinzu.
    »So viel?«
    »Sie haben, wenn ich das so sagen darf, nicht gerade unsere preisgünstigsten Gerichte konsumiert.«
    »Kann man bei Ihnen auch Currywurst mit Pommes bekommen?«
    Sie knabberte mitfühlend an ihrer Unterlippe.
    Ich schaute wieder auf die Rechnung. Sie hatte sich nicht in Staub aufgelöst. »Äh, im Moment habe ich nicht so viel bei mir.«
    »Wir nehmen auch Schecks oder Kreditkarten.«
    »Tja, da ergibt sich ein anderes Problem. Was halten Sie von Ratenzahlungen?«
    Es war noch keine zehn Uhr, doch als ich die Ente vom Hotelparkplatz auf die Straße lenkte, fühlte ich mich erschöpft wie nach einem langen Arbeitstag. Ein langfristiges Ratenzahlungsmodell auszuhandeln, kann einen ziemlich fertigmachen.
    Auf dem Weg in die Innenstadt absolvierte ich eine Übung, die mir in letzter Zeit immer schwerer fiel: Positiv denken. Sie besteht aus drei Übungsschritten. Punkt eins: Sich einreden, dass man ein toller Kerl ist. Punkt zwei: Daran glauben, dass Punkt eins stimmt. Punkt drei: Falls man Punkt eins und zwei geschafft hat, wächst die Überzeugung, dass die Wende zum Besseren unmittelbar bevorsteht.
    Als ich die Fotos, die ich in Graulockes Villa geschossen hatte, im Fotoladen abholte, grinste der Verkäufer dreckig. »Falls Sie mal eine bessere Qualität haben wollen, kann ich Ihnen die Adresse eines Fotostudios geben. In einer umgebauten Scheune, vollkommen diskret. Da kann man sich auch S/M-Sachen ausleihen.«
    »Nein, danke«, sagte ich. »Für meine Zwecke reicht Amateurqualität.«
    Frau Herzog wienerte den Treppenabsatz vor meiner Bürotür.
    »Guten Morgen, Frau Herzog, wie geht es Ihnen?«, fragte ich.
    »Danke. Mir geht es gut. Und wie geht es Ihnen?«, antwortete sie.
    »Es geht so«, wich ich von dem vorgeschriebenen Text ab und wollte schon an ihr vorbei, als sie den Wischlappen Wischlappen sein ließ und mich festhielt.
    »Ich bald bessere Arbeit«, sagte sie. Die Schwellung unter ihrem Auge war fast abgeklungen. »Nix mehr Dreck, Flaschen, Zigaretten. Arbeit bei Familie. Gute Familie.«
    »Das freut mich für Sie«, nuschelte ich unkonzentriert. Die Stahltür zu meinem Büro war nur angelehnt, und das machte mich nervös.
    »Sie besser um Ihre Frau kümmern«, fuhr Frau Herzog fort. »Gute Frau.«
    »Wieso meine Frau? Ich bin nicht verheiratet.«
    »Sagen, Ihre Frau. Sehen traurig aus.«
    Ich zeigte auf die Stahltür. »Haben Sie die Tür geöffnet?«
    Frau Herzog nickte. »Nix gut, wenn Frau in Flur warten. Sie besser um Ihre Frau kümmern.«
    »Danke. Dann werde ich mich mal um sie kümmern.«
    Yvonne Reichardt saß auf meinem Schreibtischsessel und rauchte. Da sie die einzige Sitzmöglichkeit okkupierte, lehnte ich mich an die Fensterbank und zog einen Zigarillo aus der Schachtel.
    Sie drückte die Zigarette aus. »Ich hoffe, es stört Sie nicht, dass ich in Ihr Büro eingedrungen bin.«
    »Ich würde lügen, wenn ich behauptete, dass es mir gefällt. In dem Computer da stecken vertrauliche Informationen.«
    Sie lächelte meinen 286er-PC an. »Früher habe ich auch mal mit so einem gearbeitet. Das dürfte um 1990 herum gewesen sein.«
    »Für mich reicht er. Wie Sie sehen, ist das Büro nicht besonders repräsentativ eingerichtet.«
    »Eher spartanisch«, stimmte sie mir zu und zog eine neue Zigarette aus der Schachtel. Ich konnte mich täuschen, aber mir schien es so, als würden ihre Finger zittern, als sie das silbrige Feuerzeug aufklappte. Ich steckte den Zigarillo in den Mund und ließ mir Feuer geben. Tatsächlich, ihre Hand zitterte. Die Selbstsicherheit war also nur Show.
    Es gab keinen Grund, die Karten auf den Tisch zu legen. Daher sagte ich: »Was kann ich für Sie tun?«
    Sie lachte gekünstelt. »Wollen Sie so

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