Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss
Geschlechtsverkehr.«
»Ich dachte, das kann man nur bei Frauen feststellen.«
»Der forensischen Medizin bleibt nichts verborgen. Schwierigkeiten gibt es höchstens bei Ministerpräsidenten in Genfer Badewannen oder bei Terroristen, die ihre Pistolen verlieren und sich dann doch selbst erschießen.«
»Woran ist Wildkat eigentlich gestorben?«
Stürzenbecher feixte. »Wir haben einige Zeit gebraucht, um das herauszufinden. Er ist durch einen Stromschlag getötet worden. An beiden Händen finden sich entsprechende Verbrennungen.«
»Man hätte die Schreie bis Hiltrup gehört«, wendete ich ein.
»Hast du mal versucht, mit einem Mikrofon im Mund zu schreien? Wildkat war offensichtlich mit metallischen Gegenständen an die Bettpfosten gefesselt, Handschellen zum Beispiel. Es gibt Leute, die stehen auf so etwas. Ich kann nichts daran finden, obwohl gerade unter Polizisten diese Sexualpraktiken besonders beliebt sein sollen. Und Metall leitet bekanntlich sehr gut. Du brauchst nur zwei Stromkabel – und schon hast du ein elektrisches Bett.
Die Mörderin – oder die Komplizin des Mörders – hat es Wildkat vorher noch besorgt. Alles in allem kein schlechter Abgang.«
Mich fröstelte trotz der Hitze. »Ich weiß nicht.«
»Na ja, ich möchte auch nicht mit ihm tauschen. Wir haben Erkundigungen über Wildkat eingezogen. Er stand auf die Handschellen-Nummer. In seiner Wohnung haben wir eine ganze Sammlung gefunden.«
Wir näherten uns dem Gallitzin.
»Das ist natürlich alles vertraulich. Ein Wort davon an die Presse, und ich erschieße dich vor laufender Fernsehkamera.«
Am Abend rief Katinka Muschwitz aus London an. Sie habe sich mit ihrem Agenten beraten, und der habe ihr dabei geholfen, sich auf die Insel abzusetzen. Dort wolle sie vorläufig bleiben, bis der Mörder von Wildkat verhaftet sei.
XV
Am nächsten Morgen war Poppelhove tot. Schlaftabletten, Pulsadern aufgeschnitten, Alkohol, im zunächst warmen, inzwischen kalten Wasser der Badewanne liegend, das volle Programm aus der Selbstmörder-Fibel, auch beliebt bei Mördern, die einen Selbstmord vortäuschen wollen.
Gabi hatte ihn gefunden, als sie mit ihm besprechen wollte, ob, und falls ja, wie es weitergehen sollte.
Ich saß gerade im Frühstücksraum, als sie bleich, mit weit aufgerissenen Augen hereingewankt kam. Der Hotelmanager, der mit melancholischem Blick die Frische der Tischblumen kontrollierte, ahnte wohl eine weitere, schwere Rufschädigung seines Hauses, als er, »Oh nein, nicht schon wieder!« rufend, zu Gabi stürzte und sie davor bewahrte, auf dem dicken Veloursteppich zusammenzubrechen.
Auch ich verließ mein soeben geköpftes Frühstücksei und half dem Manager, Gabi auf einen Stuhl zu setzen.
»Poppelhove, tot«, stammelte Gabi.
»Das darf doch nicht wahr sein«, jammerte der Manager. »Wir können den Laden dichtmachen.«
»Wir auch«, sagte Gabi. Was ich an ihr bewunderte, war ihre nüchterne Art.
Zusammen mit dem Manager besah ich mir die Bescherung. Poppelhove sah entspannt, fast zufrieden aus.
Der Manager dachte profaner: »Hätte ich doch bloß nicht an Mega Art vermietet. Wir werden Jahre brauchen, um uns davon zu erholen.«
»Ein bisschen mehr Pietät, wenn ich bitten darf«, kanzelte ich ihn ab. »Ein Mensch ist gestorben, und Sie denken nur an Kohle.«
»Hat er Ihnen etwas bedeutet?«
»Nein«, gab ich zu.
»Na also. Aber mein Arbeitsplatz bedeutet mir etwas. Und die meiner Angestellten auch.«
Mir war nicht danach, das Gespräch zu vertiefen. Mir war auch nicht danach, weiter im Badezimmer herumzustehen und Poppelhoves Leiche zu betrachten. Mir war mehr danach, Frau Schulze Büschens entlaufenen Bobtail Schimmy zu suchen. Aber das ließ sich, aus vielerlei Gründen, im Moment nicht machen.
Im Polizeipräsidium erfuhr ich, dass Stürzenbecher und Tecklenburg sowieso auf dem Weg zum Gallitzin waren. In der Zwischenzeit konnte ich nichts anderes tun, als auf die Hotelterrasse zu gehen und einen Zigarillo zu rauchen. Ich dachte daran, was wohl aus meinem Honorar würde. So ganz unrecht hatte der Hotelmanager ja nicht.
Stürzenbecher hatte die Nachricht bereits über Polizeifunk erfahren. Während Tecklenburg, heute im kobaltblauen Kostüm, mit unverhohlener Arbeitswut ins Hotelinnere stürmte, blieb der Hauptkommissar neben mir stehen.
»Das ist der größte Mist, den ich jemals erlebt habe«, sagte er zerknirscht. »Was meinst du? War es ein Fehler, die Bande hier festzuhalten?«
Ich wackelte mit dem Kopf.
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