Wilsberg 15 - Wilsberg und die Malerin
was passiert, wenn Guber erfährt, dass wir seinen Geldgeber kennen? Denken Sie an Ihre Kollegin Kathrin Meyer!«
»Scheiße!« Er leckte sich über die Lippen. »Das ist nicht Ihr Ernst?«
»Das ist mein voller Ernst. Wenn alle Welt weiß, was wir wissen, macht es keinen Sinn mehr, uns umzubringen.«
Er atmete flach. »Verdammt! Warum habe ich mich bloß darauf eingelassen? Was ist eigentlich mit der Frau, die Guber angeblich entführt hat?«
»Die halten wir aus der Geschichte raus.«
»Fantastisch«, maulte Olpitz. »Das ist ja wirklich eine bärenstarke Quellenlage. Soll ich schreiben: Wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Privatdetektivkreisen zu erfahren war ...? «
»Ein bisschen Material kann ich Ihnen anbieten.« Ich legte das Manuskript von Kathrin Meyer auf den Tisch. »Das ist Kathrin Meyers unvollendetes Buch über Guber.«
»Wo haben Sie das her?«
»Spielt keine Rolle. Wenn Sie es lesen, werden Sie feststellen, dass es echt ist. Und hier«, ich legte den Diskettenausdruck auf den Stapel, »sind Belege für Überweisungen einer Schweizer Bank in Höhe von rund sieben Millionen Franken an eine Stiftung Grünland in Liechtenstein. Die Daten wurden entwendet. Sehr wahrscheinlich hat Ihre Kollegin Meyer dem Dieb das Datenmaterial abgekauft. Ich nehme an, dass sie zu Guber gefahren ist und ihn provoziert hat. Auf dem Rückweg ist sie dann verunglückt.«
Olpitz schluckte.
»Und das ist noch nicht alles.« Ich legte die von Nora beschafften Papiere obendrauf. »Aus dem hier geht hervor, dass von der Stiftung Grünland mehr als vier Millionen Franken an die Firma NE Industrial Consulting in Münster geflossen sind.«
»Das ist Gubers Firma.«
»Richtig.«
»Wahnsinn«, sagte er. »Wie sind Sie da drangekommen?«
»Kein Kommentar.«
Er griff nach dem Stapel.
»Moment!«, sagte ich und legte meine Hand auf die Papiere. »Sie kriegen das Material unter zwei Bedingungen.«
»Und die wären?«
»Erstens: Sie veröffentlichen den Artikel frühestens in drei Tagen. Zweitens: Sie bewahren in den nächsten sechsunddreißig Stunden absolutes Stillschweigen, auch Ihrem Chef und Ihren Kollegen gegenüber. Vor allem dürfen Sie Guber erst nach der Veranstaltung morgen Abend um eine Stellungnahme bitten.«
»Sie meinen die große Wahlkampfkundgebung in der Halle Münsterland?«
»Ja.«
»Wieso? Wollen Sie etwa ...?«
Ich nickte. »Ich werde versuchen, das zu Ende zu bringen, was Kathrin Meyer angefangen hat.«
»In der Höhle des Löwen?«
»Da bin ich relativ sicher. Es werden jede Menge Journalisten und Kameras anwesend sein. Guber kann mich nicht einfach beseitigen lassen. Außerdem steht er vor seinem Auftritt unter Stress. Beste Voraussetzungen, ihn dazu zwingen zu können, sein wahres Gesicht zu zeigen.«
Der Journalist war skeptisch. »Ich finde, der Plan klingt ziemlich verrückt.«
»Keine Sorge«, lächelte ich. »Ich habe einige Ideen, wie ich mich absichern kann.« Ich nahm die Hand von den Papieren. »Ich bin nicht lebensmüde.«
»Da bin ich ja beruhigt.« Er schnappte sich den Stapel. »Ich bin's nämlich auch nicht.«
Er verstaute die Papiere in seiner Tasche und stand auf. »Viel Glück!«
»Danke!«, sagte ich. »Das kann ich brauchen.«
Den nächsten Tag verbrachte ich mit Telefonaten und Vorbereitungen. Die Wahlkampfveranstaltung sollte um neunzehn Uhr beginnen. Um achtzehn Uhr war ich vor der Halle Münsterland.
Da Guber in Münster ein Heimspiel hatte, war die Kundgebung eine der größten, die er während seines Wahlkampfs geplant hatte. Reisebusse brachten Anhänger aus dem ganzen Münsterland an den Albersloher Weg. An den geröteten Gesichtern war zu erkennen, dass sich viele bereits während der Fahrt in Stimmung getrunken hatten. Auf dem Weg vom Parkplatz zum Halleneingang wurden Lieder und Parolen gegrölt. Es herrschte eine Art Volksfeststimmung.
Die Ordner am Eingang trugen schwarze Overalls, kaum Haare und den stoischen Gesichtsausdruck von Männern, die weniger auf ihre Intelligenz und mehr auf ihre Kraft vertrauen. Ich zeigte ihnen einen gefälschten Journalistenausweis, der keinerlei Reaktion hervorrief. Nachdem sie mich oberflächlich abgetastet und in meine Tragetasche geschaut hatten, ließen sie mich weitergehen.
Von denen, die die Eingangskontrolle ebenfalls schon überwunden hatten, hielten sich die meisten an den Bier- und Bratwurstständen im Foyer auf. Der Saal füllte sich erst langsam. Lange Tischreihen standen vertikal zur Bühne, damit sich
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