Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel
und Weißdorns in ihrem schmucken Garten, doch ehe er seinen Mut zusammengerafft hatte, entzog sie ihm die Hand und war verschwunden.
Als Mr. Spiller, in einen süßen Traum versunken, die Haustür aufschloß, kam Masters ihm entgegen.
»Wo sind die andern, Masters?«
»Mr. Proudfoot ist vor etwa fünf Minuten gegangen, Sir, und Miss Elizabeth hat sich zurückgezogen.«
»Oh!« Mr. Spiller war ein wenig erschrocken. Die junge Generation, dachte er traurig, war auch nicht mehr so verliebt wie früher die alte. Hoffentlich hatte es keine Mißstimmung gegeben. Ein weiterer unerfreulicher Gedanke kam ihm in den Sinn.
»Ist Mr. Gooch schon wieder im Haus?«
»Ich weiß es nicht, Sir. Soll ich einmal nachsehen?«
»Ach nein, lassen Sie nur.« Wenn Gooch sich seit dem Abendessen mit Whisky hatte vollaufen lassen, war es besser, Masters nicht an ihn heranzulassen. Man konnte nie wissen. Masters war zwar ein ausgesprochen zurückhaltender Mensch, aber er konnte vielleicht doch die Situation ausnutzen. Dienstboten traute man sowieso besser nicht.
»Sie können zu Bett gehen. Ich schließe selbst ab.«
»Sehr wohl, Sir.«
»Ach, ist der Springbrunnen übrigens abgestellt?«
»Ja, Sir. Ich habe ihn um halb elf selbst abgestellt, weil ich sah, daß Sie beschäftigt waren, Sir.«
»Sehr schön. Gute Nacht, Masters.«
»Gute Nacht, Sir.«
Er hörte den Diener durch die Hintertür hinaus und über den gepflasterten Hof zur Garage gehen. Bedächtig schloß er beide Eingangstüren ab und ging in die Bibliothek zurück. Die Whiskykaraffe stand nicht an ihrem gewohnten Platz – sicher war sie noch bei Gooch draußen im Garten – , weshalb er sich einen Kognak einschenkte und austrank. Jetzt mußte er wohl die unerfreuliche Aufgabe in Angriff nehmen, Gooch zu Bett zu befördern. Doch plötzlich sah er, daß die Begegnung nicht im Garten, sondern hier stattfinden würde, denn soeben kam Gooch durch die Terrassentür herein. Er war betrunken, aber nicht sinnlos betrunken, wie Mr. Spiller mit einer gewissen Erleichterung feststellte.
»Na?« sagte Gooch.
»Na?« gab Mr. Spiller zurück.
»Hast du dich gut amüsiert mit der freundlichen Witwe? Hat’s Spaß gemacht? Bist ein richtiger Hans im Glück, was? Auf die alten Tage ins weiche Nest gefallen, häh?«
»Das reicht jetzt«, sagte Mr. Spiller.
»Ach ja? Das ist gut! Das ist wirklich ein dickes Ding. Das reicht, ja? Du denkst wohl, du hast Masters vor dir, daß du so mit mir redest?« Mr. Gooch ließ ein trunkenes Lachen ertönen. »Ich bin aber nicht dein Diener, ich bin der Herr hier! Geht das in deinen Kopf? Ich bin hier der Herr, und du weißt das ganz genau.«
»Na gut«, antwortete Mr. Spiller sanft, »aber jetzt sei so lieb und geh zu Bett. Es ist spät geworden, und ich bin müde.«
»Du wirst noch viel müder sein, wenn ich erst mit dir fertig bin.« Mr. Gooch stieß beide Hände in die Hosentaschen und baute sich – eine stämmige, drohende Gestalt – gefährlich schwankend vor ihm auf. »Ich bin knapp bei Kasse«, fuhr er fort. »Hatte eine schlechte Woche – bin völlig abgebrannt. Höchste Zeit, daß du ein bißchen mehr springen läßt.«
»Unsinn«, gab Mr. Spiller jetzt energisch zurück. »Ich zahle dir die vereinbarte Zuwendung und lasse dich hier bei mir wohnen, so oft du willst. Mehr kriegst du nicht von mir.«
»So, mehr kriege ich nicht? Dir geht es wohl ein bißchen zu gut, wie – Nummer 4132?«
»Still!« sagte Mr. Spiller und sah sich hastig um, als hätten die Möbel Ohren und Zungen.
»Still! Still!« äffte Mr. Gooch ihn nach. »Du glaubst hier wohl, die Bedingungen stellen zu können, was, Nummer 4132? Still! Die Dienstboten könnten es hören! Betty könnte es hören! Bettys Galan könnte es hören. Ha! Bettys Galan – der würde sich besonders freuen, wenn er wüßte, daß ihr Vater ein entflogener Knastvogel ist. Daß er jeden Moment wieder einkassiert werden kann, um seine zehn Jahre Zwangsarbeit wegen Urkundenfälschung fertig abzusitzen. Und wenn ich mir vorstelle«, fuhr Mr. Gooch fort, »daß ein Mann wie ich, der nur kurz drin war und seine Zeit brav abgesessen hat, auf die Mildtätigkeit – haha! – seines lieben Freundes Nummer 4132 angewiesen ist, während der sich im Reichtum suhlt –«
»Ich suhle mich in keinem Reichtum, Sam«, sagte Mr. Spiller, »und das weißt du auch ganz genau. Aber ich möchte keinen Ärger haben. Ich will tun, was ich kann, wenn du mir diesmal hoch und heilig versprichst, daß du nicht
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