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Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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– eine Vermutung, der sich der Arzt anschloß, wenn er sich auch nicht auf die Stunde genau festlegen mochte, und so erkannte der Untersuchungsrichter auf tödlichen Unfall.
    Nur wer selbst schon einmal jahrelang das hilflose Opfer eines Erpressers gewesen war, konnte Mr. Spillers Empfindungen voll verstehen. Gewissensbisse kamen darin nicht vor – dafür war die Erleichterung viel zu groß. Das tägliche Ärgernis, das Mr. Goochs Anwesenheit darstellte, seine unersättlichen Geldforderungen, die ständig drohende Gefahr, die im Alkohol von seiner Bösartigkeit ausging
    – das alles los zu sein, war schon einen Mord wert. Und eigentlich, sagte Mr. Spiller sich wieder und wieder, während er nachdenklich auf der rustikalen Bank beim Springbrunnen saß, war es ja gar kein richtiger Mord gewesen. Er nahm sich vor, heute nachmittag Mrs. Digby zu besuchen. Jetzt, da er diese lähmende Angst vor der Zukunft los war, konnte er ihr einen Heiratsantrag machen. Der Duft des Flieders war betörend.
    »Verzeihung, Sir«, sagte Masters.
    Mr. Spiller riß seinen meditierenden Blick von der sprudelnden Fontäne los und sah seinen Diener, der in respektvoller Haltung neben ihm stand, fragend an.
    »Wenn es Ihnen genehm ist, Sir, möchte ich gern ein anderes Zimmer haben. Ich würde gern im Haus schlafen.«
    »Oh«, sagte Mr. Spiller. »Warum denn das, Masters?«
    »Seit dem Krieg neige ich zu einem leichten Schlaf, Sir, und ich empfinde das Knarren der Wetterfahne als sehr störend.«
    »So, knarrt sie?«
    »O ja, Sir. In der Nacht, in der Mr. Gooch diesen betrüblichen Unfall erlitt, ist der Wind um Viertel nach elf umgeschlagen, Sir. Das Knarren hat mich aus dem ersten Schlaf geweckt, Sir, und mich sehr gestört.«
    Eine kalte Hand faßte nach Mr. Spillers Magengrube. Der Blick, mit dem sein Diener ihn ansah, erinnerte ihn in diesem Augenblick merkwürdig an Gooch. Bisher war ihm eine solche Ähnlichkeit nie aufgefallen.
    »Es ist, wenn ich das sagen darf, Sir, recht sonderbar, daß Mr. Goochs Leichnam so von der Wasserfontäne naßgespritzt wurde, wo doch der Wind erst um Viertel nach elf umgeschlagen ist. Bis Viertel nach elf muß die Gischt auf die andere Seite geweht worden sein, Sir. Dem Augenschein nach müßte die Leiche eigentlich erst nach Viertel nach elf an diese Stelle gelegt und danach der Springbrunnen noch einmal aufgedreht worden sein, Sir.«
    »Sehr merkwürdig«, sagte Mr. Spiller. Jenseits der Fliederbüsche hörte er Bettys und Ronald Proudfoots Stimmen fröhlich plaudern, während sie zwischen dem Zierrasen auf und ab gingen. Sie schienen miteinander glücklich zu sein. Das ganze Haus wirkte glücklicher, seitdem Gooch nicht mehr da war.
    »Wirklich sehr merkwürdig, Sir. Ich darf hinzufügen, daß ich, nachdem ich die Bemerkungen des Inspektors gehört hatte, die Vorsichtsmaßnahme ergriffen und Ihre Anzughose im Wäscheschrank des Badezimmers getrocknet habe.«
    »Aha«, sagte Mr. Spiller.
    »Ich werde gegenüber den Behörden natürlich nichts vom Drehen des Windes erwähnen, Sir, und nachdem nun die Voruntersuchung vorbei ist, dürfte auch niemand mehr auf diesen Gedanken kommen, sofern er nicht eigens darauf aufmerksam gemacht wird. Ich meine, Sir, daß Sie es unter Erwägung aller Umstände nützlich finden könnten, mich auf Dauer in Ihren Diensten zu behalten, und zwar – zunächst – für das Doppelte meines derzeitigen Gehalts.«
    Mr. Spiller öffnete schon den Mund, um ihm zu sagen, er solle sich zum Teufel scheren, doch die Stimme versagte ihm. Er senkte langsam den Kopf.
    »Ich bin Ihnen sehr verbunden, Sir«, sagte Masters und entfernte sich auf lautlosen Sohlen.
    Mr. Spiller sah den Springbrunnen an, dessen Wassersäule im Wind hin und her schwankte.
    »Genial«, murmelte er vor sich hin, »und der Betrieb kostet so gut wie gar nichts. Es wird immer wieder dasselbe Wasser verwendet.«

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