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Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Titel: Wimsey 11 - Der Glocken Schlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Gotobed mit Familie.«
    »Alle hier, Sir.«
    »Joseph Hinkins … Louisa Hitchcock … Obadiah Holliday … Miss Evelyn Holliday …«
    Die Mannschaft von der Schleuse versammelte sich betreten bei der Tür. Wimsey ging nach vorn bis an die Stufen des Altarraums, wo der Pfarrer stand, und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    »John Cross und Will Thoday? Das ist ja schrecklich. Gott gebe ihnen die ewige Ruhe, den armen, tapferen Jungen.
    Könnten Sie es bitte meiner Frau sagen, damit sie die traurige Nachricht den Angehörigen bringt? Will hat versucht, Johnnie zu retten? Ja, das hätte ich jederzeit von ihm erwartet. Ein guter, lieber Mensch, trotz allem.«
    Wimsey nahm Mrs. Venables beiseite. Die Stimme des Pfarrers, ein wenig zitternd jetzt, rief weiter die Namen auf:
    »Jeremiah Johnson und Familie … Arthur und Mary Judd … Luke Judson …«
    Hinten in der Kirche ertönte ein langer, klagender Schrei:
    »Will! Will! Er hat nicht mehr leben wollen! O meine armen Kinder – was sollen wir nur tun?«
    Wimsey blieb nicht, um nicht noch mehr davon zu hören. Er ging durch die Kirche zurück zum Glockenturm und stieg in die Läutestube hinauf. Noch immer sangen die Glocken ihr aufgeregtes Lied. Er ging an den schwitzenden Glöcknern vorbei und stieg weiter – durch die Uhrkammer hinauf, die mit Haushaltsutensilien vollgestopft war, und immer höher bis zur Glockenstube selbst. Als er den Kopf durch die Luke steckte, schlug ihm die bronzene Wut der Glocken um die Ohren wie tausend Hämmer. Der ganze Turm war vollgesogen und trunken von ihrem Lärmen. Er wankte und wiegte sich mit den schwingenden Glocken, taumelnd wie ein Betrunkener. Halb betäubt und bis ins Mark erschüttert setzte Wimsey den Fuß auf die letzte Leiter.
    Auf halbem Wege hielt er inne und klammerte sich verzwei
    felt mit den Händen fest. Der Lärm durchbohrte und schüttelte ihn. Durch das eherne Dröhnen und Scheppern drang ein hoher, schriller, anhaltender Ton, der ihm wie ein Schwert ins Gehirn stieß. Alles Blut seines Körpers schien ihm in den Kopf zu schießen, daß er anschwoll, als wollte er bersten. Er ließ die Leiter los und versuchte sich die Finger in die Ohren zu stopfen, aber ein Schwindelgefühl überkam ihn, daß er wankte und fast hinuntergefallen wäre. Das war kein Lärm mehr – es war brutaler Schmerz, eine bohrende, hämmernde, sägende, wahnsinnig machende, unerträgliche Qual. Er fühlte, wie er schrie – hören konnte er seinen eigenen Schrei nicht. Seine Trommelfelle waren dem Platzen nah, seine Sinne begannen zu schwinden. Es war unendlich schlimmer als im Trommelfeuer schwerer Artillerie. Dieses hatte einen gefühllos und taub gemacht, aber der unerträgliche, schrille Klang hier drinnen war die reine Tollheit, eine Ausgeburt der Hölle. Er konnte sich nicht vorwärts noch rückwärts bewegen, obwohl sein schwindender Verstand ihn beschwor: »Ich muß fort – ich muß hier raus.« Die Glockenstube wankte und drehte sich um ihn herum, während die Glocken auf Armabstand vor- und rückwärts schwangen – die Münder oben, die Münder unten, die ehernen Zungen lärmend und tosend, und über allem dieser schrille, hohe, süße, unbarmherzige Ton, der bohrte und stach.
    Er konnte nicht hinuntersteigen, denn in seinem Kopf drehte sich alles, und bei dem bloßen Gedanken krampfte sich ihm der Magen zusammen. In letzter Verzweiflung krallte er die Finger um die Leitersprossen und zwang seine schlotternden Glieder aufwärts. Fuß um Fuß, Sprosse um Sprosse kämpfte er sich nach oben. Jetzt stieß sein Kopf an die Falltür. Er hob eine bleierne Hand und schob den Riegel zurück. Taumelnd, mit einem Gefühl, als ob seine Knochen zu Wasser geworden wären, blutend aus Nase und Ohren und mehr fallend als gehend schleppte er sich hinaus auf das windige Dach. Er warf die Tür hinter sich zu, und das dämonische Heulen sank zurück in seinen Pfuhl, um wieder emporzusteigen, in Wohlklang verwandelt, aus den Schallöchern der Glockenstube.
    Minutenlang lag er zitternd auf dem Bleidach, während ihm langsam die Sinne wiederkehrten. Nach einer Weile wischte er sich das Blut vom Gesicht und stemmte sich ächzend auf die Knie, die Hände um das Gitterwerk der Brüstung geklammert. Eine unsagbare Stille umgab ihn. Der Mond war aufgegangen, und zwischen dem durchbrochenen Mauerwerk hindurch starrte das finstere Gesicht des Fenmoors zu ihm herauf wie ein Bild in schwankendem Rahmen, wie das Meer durch das Bullauge eines schlingernden Schiffes

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