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Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Titel: Wimsey 11 - Der Glocken Schlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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John und Jericho sind ebenfalls bemerkenswert gut – überhaupt sind sie alle ›von reinem Klang und vollem Laut‹, wie das alte Motto heißt.«
    »Also haben Sie ein komplettes Achtergeläute?«
    »O ja. Wenn es Sie interessiert, zeige ich Ihnen gern ein bezauberndes kleines Büchlein, in dem mein Amtsvorgänger die Geschichte unserer Glocken festgehalten hat. Unsere Baßglokke, die Tailor Paul, ist im Jahre 1614 auf einem Acker neben der Kirche gegossen worden. Man sieht noch die Vertiefung im Boden, wo die Form gemacht wurde, und der Acker selbst heißt heute noch Glockenacker.«
    »Haben Sie denn auch eine gute Glöcknermannschaft?« erkundigte Wimsey sich höflich.
    »O ja, eine sehr gute. Großartige Burschen, und so eifrig dabei. Da fällt mir ein, ich wollte eben sagen, daß wir in dieser Nacht das neue Jahr mit« – hier hob der Pfarrer bedeutungsvoll die Stimme – »nicht weniger als fünfzehntausend und achthundertvierzig Wechseln Kent Treble Bob Major einzuläuten gedenken. Was sagen Sie dazu? Nicht schlecht, wie?«
    »Allmächtiger!« rief Wimsey. »Fünfzehntausend –«
    »– und achthundertvierzig«, vollendete der Pfarrer.
    Wimsey rechnete schnell nach.
    »Das gibt etliche Stunden Arbeit.«
    »Neun«, belehrte ihn der Pfarrer stolz.
    »Alle Achtung«, sagte Wimsey. »Das ist ja der große Rekord der College-Jugend von achtzehnhundertsoundso.«
    »1868«, ergänzte der Pfarrer. »Jawohl, den wollen wir nämlich einstellen. Und was noch mehr ist, wir müssen es der Col lege-Jugend sogar insofern gleichtun, als wir, abgesehen von der bescheidenen Hilfe, die ich geben kann, den ganzen Zyklus mit nur acht Mann läuten müssen. Wir hatten mit zwölf gerechnet, aber nun liegen leider vier von unsern besten Leuten mit dieser fürchterlichen Grippe im Bett, und von Fenchurch St. Stephen, das ja auch ein Geläute hat, wenn auch mit dem unsern nicht annähernd vergleichbar, können wir keine Hilfe bekommen, weil sie dort immer nur Grandsire Triples läuten und somit keinen haben, der einen Kent Treble Bob Major läuten kann.«
    Wimsey schüttelte den Kopf und angelte sich sein viertes Butterküchlein.
    »Grandsire Triples sind auch ein sehr ehrwürdiges System«, sagte er feierlich, »aber sie bringen nie dieselbe Musik –«
    »Das sag ich ja auch immer«, krähte der Pfarrer. »Es wird nie dieselbe Musik, wenn der Baß hinten nachhängt – nicht einmal beim Stedman, obwohl wir hier sehr große Stücke auf Stedman halten und ihn recht anständig läuten, wie ich sagen darf. Aber interessanter und reicher und schöner ist doch jederzeit ein Kent Treble Bob Major.«
    »Sehr richtig«, fand Wimsey.
    »Etwas Schöneres gibt es einfach nicht.« Mr. Venables entschwebte selig in die Höhen des Glockenturms, wobei er mit seinem Küchlein in der Luft herumfuchtelte, daß ihm die Butter in die Ärmel lief. »Sogar Grandsire Major – ich kann mir nicht helfen, aber für mich fehlt da einfach etwas, wenn der Baß so monoton hinter jedem Wechsel ertönt – besonders hinter den Einzeln, und dann müssen sich die erste und zweite Glocke auch noch die ganze Zeit auf einfaches Jagen beschränken –«
    Die weiteren Bemerkungen des Pfarrers zum GrandsireSystem des Wechselläutens gingen leider unter, denn soeben erschien Emily an der Tür mit den unheilverkündenden Worten:
    »Herr Pfarrer, kann James Thoday Sie kurz sprechen?«
    » James Thoday?« fragte der Pfarrer. »Nun, gewiß, natürlich. Bring ihn in mein Studierzimmer, Emily, und sag ihm, daß ich gleich komme.«
    Der Pfarrer blieb nicht lange fort, und als er wiederkam, machte er ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Mit einer Geste äußerster Mutlosigkeit ließ er sich in seinen Sessel fallen.
    »Dies«, rief er dramatisch, »ist zuviel des Unglücks!«
    »Du meine Güte, Theodore! Was ist denn um Himmels willen passiert?«
    »William Thoday! Von allen Tagen im Jahr ausgerechnet heute! Der Ärmste, ich sollte wirklich nicht an mich denken, aber es ist so eine bittere Enttäuschung – so bitter!«
    »Aber was ist denn nun mit Thoday?«
    »Hingestreckt«, tönte der Pfarrer, »hingestreckt von dieser schrecklichen Geißel, dieser Grippe. Völlig hilflos. Im Delirium. Sie haben schon nach Dr. Baines geschickt.«
    »Ts, ts, ts«, machte Mrs. Venables.
    »Anscheinend«, fuhr der Pfarrer fort, »hat er sich schon heute früh nicht ganz wohl gefühlt, aber er bestand darauf – wie unklug, der Ärmste –, in irgendwelchen Geschäften nach Walbeach zu fahren.

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