Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
stets weiblichen Geschlechts, auch wenn sie männliche Namen tragen.)
»Sie werden uns hoffentlich noch recht lange erhalten bleiben, Mr. Lavender.«
»Ezra Wilderspin«, fuhr der Pfarrer fort. »Er ist der größte und stärkste von uns und läutet die kleinste Glocke. So geht es oft im Leben, nicht? Er ist übrigens unser Schmied und hat versprochen, gleich morgen früh Ihren Wagen zu holen.«
Der Schmied lachte verlegen. Er klappte eine Riesenhand um Wimseys Finger und zog sich verwirrt zu seinem Stuhl zurück.
»Jack Godfrey«, machte der Pfarrer weiter in der Runde.
»Er läutet die Nummer sieben. Wie läuft denn Batty Thomas jetzt, Jack?«
»Jetzt läuft sie gut, danke, Sir, seit wir die neuen Zapfen drin haben.«
»Jack hat die Ehre, die älteste Glocke zu läuten, die wir besitzen«, erklärte der Pfarrer. »Batty Thomas wurde 1338 von Thomas Belleyetere aus Lynn gegossen, aber ihren Namen hat sie von Abt Thomas, der sie 1380 hat neu gießen lassen – stimmt's, Jack?«
»So ist es«, pflichtete Mr. Godfrey bei.
»Mr. Donnington, Wirt zur ›Roten Kuh‹ und unser Kirchenvorstand«, fuhr der Pfarrer fort, indem er einen langen, dünnen Mann mit Silberblick nach vorn schob. »Ich hätte ihn in Anbetracht der Würde seines Amtes zuerst nennen sollen, aber seine Glocke ist nun einmal nicht so altehrwürdig wie Tailor Paul und Batty Thomas. Er läutet die Nummer sechs – Dimity –, eine ziemlich neue Glocke in ihrer jetzigen Gestalt, obschon aus altem Metall.«
»Und die wohlklingendste im ganzen Geläute«, erklärte Mr. Donnington im Brustton der Überzeugung. »Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Mylord.«
»Joe Hinkins, mein Gärtner. Ich glaube, Sie haben sich schon begrüßt. Er läutet die Nummer fünf. Harry Gotobed, Nummer vier; unser Totengräber, und welcher Name wäre schöner für einen Totengräber? Und Walter Pratt, unser Benjamin, der die Nummer drei läuten soll und seine Sache bestimmt recht gut machen wird. Ich bin ja so froh, daß wir dich beizeiten herbekommen haben, Walter. Tja, das wären wir alle, Mylord. Sie selbst, Lord Peter, werden den Platz des armen William Thoday an der Nummer zwei einnehmen. Sabaoth heißt sie; sie und die Nummer fünf wurden im selben Jahr wie Dimity neu gegossen – das war im Jubiläumsjahr der alten Königin. So, und nun an die Arbeit. Hier ist Ihre Handglocke, kommen Sie, set zen Sie sich neben Walter Pratt. Unser guter alter Freund Hezekiah wird die Leitung übernehmen, und Sie werden sehen, er singt seine Kommandos so laut und klar wie die Glocken, obwohl er die Fünfundsiebzig schon überschritten hat. Hab ich recht, Alter?«
»Und wie«, krächzte der alte Herr gutgelaunt. »Also, Männer, wenn ihr soweit seid, läuten wir einen kurzen Sechsundneunziger, nur damit dieser Herr wieder reinkommt, sozusagen. Sie wissen sicher noch, Mylord, daß Sie zuerst immer mit der Nummer eins die Führung wechseln und dann in die langsame Jagd gehen, bis sie wieder vorkommt und mit Ihnen tauscht.«
»Stimmt«, meinte Wimsey. »Und dann gehe ich auf Platz drei und vier.«
»Ganz recht, Mylord. Und dann immer drei Schritte vor und einen zurück, bis Sie ganz am Schluß angelangt sind.«
»Nur zu, Chef.«
Der Alte nickte und fuhr fort: »Und du, Wally Pratt, paßt gefälligst auf, was du machst. Und daß du mir mit deiner Glocke nicht über Platz drei gehst! Das hab ich dir schon tausendmal gesagt. Also, Männer, wenn ihr fertig seid – los!«
Die Kunst des Wechsel- oder Variationsläutens ist eine englische Besonderheit und, wie alle englischen Besonderheiten, der übrigen Welt unbegreiflich. Für den musikalischen Belgier zum Beispiel ist ein wohlabgestimmtes Geläute dazu da, Melodien zu spielen. Der englische Campanologe dagegen sieht im Läuten von Melodien ein kindisches Spiel, das man getrost den Ausländern überläßt; zum rechten Gebrauch der Glocken gehört für ihn das Austüfteln mathematischer Permutationen und Kombinationen. Wenn er von der Musik seiner Glocken spricht, meint er nicht etwa Musik im Sinne der Musiker – noch weniger das, was der gewöhnliche Sterbliche unter Musik versteht. Für den gewöhnlichen Sterblichen indessen ist das Wechselläuten nur Lärm und eine Belästigung obendrein, erträglich höchstens bei großer Entfernung oder im milden Glanz sentimentaler Erinnerung. Der erfahrene Glöckner dagegen erkennt zwischen den verschiedenen Variationsmethoden tatsächlich musikalische Unterschiede; er schwört, daß es
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