Wind Der Zeiten
entschuldigen, denn ich hatte eindeutig einen wunden Punkt getroffen, da schlich sich ein Lächeln in sein Gesicht, das nicht anders als diabolisch zu nennen war. »Du hast ihn also bemerkt.«
Und mit mir ganz sicher auch eine Menge anderer Frauen. Aber das sagte ich nicht laut. »Natürlich habe ich das, er ist mir ja nicht zum ersten Mal begegnet.«
»Nein?« Iain wirkte verblüfft.
Froh, meine Geschichte endlich jemandem anvertrauen zu können, nachdem Caitlynn behauptet hatte, den Mann nicht zu kennen, erzählte ich ihm von den Begegnungen. Allerdings in einer sehr abgemilderten Version. Von meiner Tollpatschigkeit und den verwirrenden Gefühlen musste er nichts wissen. »Ich frage mich nur, was er hier in der Gegend macht«, sagte ich schließlich. »Wie ein Einheimischer wirkt er nicht gerade auf mich.« Der Mantel, den er bei unserer Begegnung getragen hatte, war aus teurem Tuch gewesen, und der Schnitt passte besser zu einem Geschäftsmann aus der Londoner City als hier in die raue Natur. Außerdem hatte mein dunkler Retter etwas Militärisches, geradezu Strenges an sich, das man weder den Küstenbewohnern noch den Touristen nachsagen konnte.
Iain sah mich starr an, als hätte ich meine Überlegungen laut ausgeplaudert. Dann legte er den Kopf in den Nacken und lachte so sehr, dass sich sein Gesicht bis zum blonden Haaransatz hinauf rot färbte.
»Was ist daran so witzig?«
Er wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Vielleicht ist es an der Zeit, die Karten neu zu mischen.« Dabei sah er zwar wieder ganz normal aus, dafür sprach er in Rätseln. Bevor ich jedoch nachfragen konnte, was er mit seiner eigenartigen Bemerkung gemeint haben könnte, hatte er sich schon über die Karte gebeugt. »Also gut, wenn du Lust hast, das Tal zu erkunden, zeichne ich dir eine Route ein.«
Aha, das Thema war für ihn also erledigt. Auch gut, dann
würde ich Caitlynn eben später löchern, um herauszufinden, welches düstere Geheimnis Iains Freund umgab, dass sie sogar versucht hatte, mich zu beschwindeln.
»Der Weg bis zur Schlucht ist leicht zu finden«, unterbrach Iain meine Gedanken. »Obwohl es mir lieber wäre, wenn du nicht allein so weit in unbekanntes Gelände reitest. Der Hengst könnte dich abwerfen …«
»Bran ist lammfromm«, widersprach ich. »Und außerdem hast du gar keine Zeit, um mitzukommen.«
In den kommenden Wochen waren alle Touren vollständig ausgebucht, und es fehlte uns immer noch ein Guide, so dass Iain alle Hände voll zu tun hatte, unerfahrene Reiter vorzubereiten und auf ihren Ausflügen zu begleiten.
Er insistierte nicht weiter. »Wie du meinst.« Dann erläuterte er mir, wie ich am besten zum Eingang des Tals gelangte. »Bis dahin und auch im Wald folgst du einfach dem Fluss, bis du auf ein Cairn triffst.«
Meinen fragenden Blick interpretierte er richtig und erklärte, dass es sich um große Felsen handelte, die von ihren Vorvätern aufeinandergeschichtet und als Grabstätte verwendet worden waren.
»Dahinter führt ein Pfad den Berg hinauf.« Er machte einen Kreis mit dem Kugelschreiber. »Hier irgendwo ist der Feenkreis. Es gibt natürlich eine Menge alter Überlieferungen, aber erwarte dir nicht zu viel. Das ist weder Stonehenge noch Callanish.«
Ich musste lachen. »Du meinst, dort befindet sich ein unsichtbarer Steinkreis? Die Touristen werden begeistert sein.«
Außergewöhnlich ernsthaft nickte er. »Sie halten unsere Überlieferungen für einen großartigen Spaß, für Geschichten, die man sich in dunklen Nächten am Kamin erzählt. Aber in
allen gibt es einen wahren Kern, und der ist nicht immer so hübsch, wie es den Anschein hat.«
Dem Ton nach zu urteilen, hatte er wenig Verständnis für den Hunger seiner Kunden nach Erzählungen über Schlachten, Morde und Massaker. Doch viele der Gäste kamen aus den USA oder Kanada und hofften, während ihrer Ausflüge zu Pferd auf Spuren ihrer Vorfahren zu treffen, und niemand hier in der Gegend würde sich darüber beschweren. Auch meine Freunde lebten gut davon.
Am folgenden Tag brach ich schon frühmorgens auf. Iain bestand darauf, dass ich ein Packpferd mitnahm, auf dessen Rücken er Zelt, Schlafsack und eine große Menge Proviant für mich und die Pferde gut verzurrte.
»Du wirst einige Stunden unterwegs sein, und es wäre zu gefährlich, bei Dunkelheit in unbekanntem Gelände zu reiten«, warnte er. »In der Nähe des Feenkreises gibt es genügend Platz zum Zelten. Genieße einfach die Magie der Natur. Morgen
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