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Winter

Winter

Titel: Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Marsden
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von draußen ein lautes Klopfen. Es dröhnte durch das leere Haus wie ein Donnerschlag. Ich hatte das Gefühl, als hätte der Blitz in meinem Rücken eingeschlagen, als wäre in meinem Rückgrat eine Sicherung durchgebrannt und ich würde mich nie wieder rühren können. Selbst, als ich bereits die Stimme hörte, dauerte es noch einen Moment, bis ich sie erkannte.
»Winter! Bist du da?«
»Äh, ja. Ja. Sekunde.«
Ich drehte das Licht an und tappte auf eisigen Füßen zur Tür.
Ralph stand mit einem Stapel Bettzeug davor. »Ich dachte, das könntest du brauchen.«
»Oh, danke. Tausend Dank.« Ich glaube, er wollte es hereinbringen, aber ich nahm es ihm ab. »Das ist echt nett von dir«, sagte ich, froh über die Gelegenheit, ihm zu zeigen, dass ich nicht immer nur das Mega-Ekel aus der Hölle war.
»Ist schon gut. Du kannst doch nicht da auf der nackten Matratze schlafen. Noch dazu, wo die Nächte jetzt kühler werden.«
»Ja. Ich hab schon drei Schichten Klamotten an. Aber damit wird es viel besser.«
Ab da wusste keiner von uns weiter.
»Na, gut«, sagte Ralph schließlich, »wir unterhalten uns in der Früh, okay? Klären ein paar Dinge.«
»Ja, klar. Klingt gut.«
»Und komm einfach zum Frühstück, wann immer du Lust hast.«
»Äh, gern, in Ordnung.«
Es tat gut, die Laken und das Federbett auszubreiten, ein richtiges Kissen zu haben, unter die Decke zu kriechen und zu spüren, wie mich die Wärme allmählich einhüllte.
Ich schloss die Augen und spürte in den Winkeln meiner Augen sofort das vertraute Prickeln. Wie oft war ich so eingeschlafen? Wie oft hatte ich mich bei den Robinsons in den Schlaf geweint? Doch diesmal weinte ich wenigstens nicht aus Enttäuschung. Diesmal war es etwas anderes. Ich war einfach erschöpft. Es war, als wäre ich nach einer langen, langen Reise endlich angekommen. Ich hatte so viel durchgemacht, um endlich hier sein zu können. Wenn die Robinsons mich jetzt hätten hören können, hätten sie das sicher für einen schlechten Witz gehalten. »Wir sind doch diejenigen, die am meisten durchgemacht haben. Wegen dieser jungen Dame war unser Leben die reinste Hölle.«
Aber sie hatten auch nie von den Nächten erfahren, in denen ich lautlos in mein Kissen weinte und irgendwann einschlief. Sie erfuhren nie, wie unglücklich ich war, weil ich so weit von zu Hause fort war, und wie schrecklich allein ich mich fühlte. Und wie sehr ich mich danach sehnte, wieder auf Warriewood zu sein.
Und jetzt war ich daheim. Dass das nicht das Ende meines Kampfes war, auch nicht das Ende meiner Suche, war mir klar, aber hier bestand wenigstens eine Chance, es zu erreichen. Bei den Robinsons hätte ich ebenso gut auf dem Mond sein können, so wenig Hoffnung hatte ich, dort die Antworten auf meine Fragen zu finden.
Ich weiß nicht mehr, wie lange ich wach lag. Es war seltsam. Das menschenleere, unmöblierte und leblose Haus fühlte sich lebendiger an als jedes andere Haus, in dem ich je gewesen war. Lebendiger als das der Robinsons. Lebendiger als Sylvias und Ralphs. Lebendiger als das meiner Großeltern in Adelaide.
Ich fragte mich, ob dieses Haus nur mir so lebendig vorkam. Für jeden anderen dürfte es wohl eher ein Museum gewesen sein. Ein Friedhof. Vielleicht erwachte dieses Haus nur für einen Menschen zum Leben. Vielleicht hatte es die ganze Zeit auf mich gewartet.
Meine Gefühle wurden allmählich konkreter. Anfangs war es so, als betrachtete ich ein Gemälde aus der Ferne. Jetzt stand ich davor, sah die in leuchtenden Farben gemalten Menschen, die rotgelben Petunien in einer blauen Vase, die Flammen des Feuers im Kamin. Ich konnte die unscheinbaren Geräusche hören, die jemand erzeugt, wenn er von einem Zimmer ins nächste geht. Das Knistern eines Stoffs, der den Türrahmen streift. Das Scharren eines Schuhs auf dem Fußboden. Den Luftzug von jemandem, der durch den Flur geht. Murmelnde Stimmen. Ein Husten, das Rascheln von Zeitungspapier, das Klirren einer Kaffeetasse.
Die Stimmen waren am quälendsten. Ich konnte sie nicht richtig hören. Ich konnte kein einziges Wort ausmachen. Sie klangen erwachsen, die Art von Unterhaltung, wie sie Leute führen, die sich seit langem kennen. Ein ruhiges, fließendes Gespräch. Ein paar Bemerkungen, gefolgt von kurzem Schweigen, dann noch ein paar Sätze. Ich wollte aufstehen und mich dazugesellen. Aber ich wusste, was dann geschehen würde. Plötzlich wusste ich es mit der Gewissheit der Erinnerung. Meinen Körper durchlief ein Schauer, während sich die

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