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Winter in Maine

Winter in Maine

Titel: Winter in Maine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerard Donovan
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Scheune, kehrte in die warme Hütte zurück und überließ ihn der Lei chenstarre. In der Nacht regnete es, und als das Feuer heruntergebrannt war, wurde es kalt. Ich lag im Bett und hörte den Wind wie ein Seil ums Haus peitschen.
    5
    Als ich am Dienstagmorgen erwachte und die Sonne zum ers ten Mal nicht mehr über einem lebenden Hobbes aufging, fiel ein Lichtsplitter durchs Fenster. Hobbes' Grab war bloß fünf Meter von der Hütte entfernt, zu nah, um es übersehen zu können, selbst wenn man vorbeigehen wollte, und ich konnte mich nicht überwinden, nach draußen zu gehen und es zu sehen, also tappte ich durchs dunkle Haus, an den aufgereihten Büchern entlang, zog sie aus der Enge der Regale und wischte sie in dem zum Fenster hereindringenden Sonnenstrahl ab, bis die Luft voller Staub war, der im Morgenlicht wirbelte. Dann ging ich ins Gästezimmer, wo ich zwei Kästen unter dem Bett hervorzog, die beide die Aufschrift »Alexandria« trugen und sorgfältig mit braunem Gummiband umschlungene Karteikartenstapel bargen.
    Mein Vater hatte tatsächlich 3282 Bücher im Haus aufge stellt, bei weitem zu viele, um sich alle merken zu können, darum hatte er für jedes einzelne eine Karteikarte angelegt, auf der er Autor, Verlag und Erscheinungsjahr sowie eine kurze Inhaltsangabe festhielt. Ich konnte mich noch an das Kratzen seines Füllers erinnern, wenn er auf seinem alten bequemen Gartenstuhl saß, der noch immer am Ofen steht, wenn er über seine Brille hinweg jeden Einband gewissenhaft musterte, alle Angaben notierte, den Kopf hin und her wandte und beim Schreiben vor sich hin murmelte. Der Füller kratzte durch Schnee und Frühling, durch Regen und Herbst. Ich blieb im Zimmer, über den Kasten gebeugt, während das Bild meines Vaters auf mich einströmte wie ein Sturzbach im Wald nach dem Regen: wie er kerzengerade in seinem grünen Wollpul lover dasaß, seinem vom Rasierwasser verfärbten Kaschmirschal, der seinen Hals bedeckte, wenn es trotz des Feuers kalt wurde, und wie ich in seiner Nähe blieb und ebenfalls las, während sich die Stille wie eine Weinrebe durch die Hütte rankte, nur unterbrochen, wenn einer von uns beiden aufstand, um Tee oder Butterbrote zu machen. Er war ein freundlicher Mensch gewesen, mit dem man gut auskommen konnte, denn er nahm nicht viel Platz in Anspruch. Solche Menschen gibt es nicht oft, und von ihm lernte ich auch, wie man still ist. Wir lebten allein zusammen: Er hatte nicht wieder geheiratet. Er sagte, für ihn gebe es nur eine einzige Frau, auch wenn sie tot sei, und das zeigte mir, was Treue ist, wenn man das bloße Wort mit Leben erfüllt.
    Als ich zwei Kannen Tee getrunken hatte und das Feuer bis zur Glut heruntergebrannt war, blickte ich zum dritten Mal in zwei Tagen auf die Uhr, so oft wie seit mindestens zwei Monaten nicht mehr. Es war erst Mittag. Ich musste Holz holen, sonst würde es um drei in der Hütte eiskalt sein. Es war die Zeit des Jahres, die ich die Holzzeit nannte, weil ich nur mit den Schei ten der zersägten abgestorbenen Bäume heizte; in der nächsten Woche musste ich den Öltank auffüllen lassen, um die Temperatur aufrechtzuerhalten. Wenn in dieser Gegend der Winter anbrach, konnte man einen ganzen Wald verbrennen, ohne gegen die Kälte anzukommen.
    Das Grab zu meiner Linken, überquerte ich die Lichtung und schnappte mir ein paar Scheite. Alle strömten den inten siven Geruch des Monats aus, in dem sie in der lauen Sonne gestapelt worden waren, und von den Bäumen fielen Hunderte rostroter Blätter, strichen auf dem Weg nach unten die Rinde entlang, schwebten noch einmal in die Luft und landeten dann prasselnd wie Regentropfen. Mit vier Scheiten im Arm und auf den Boden geheftetem Blick kehrte ich direkt zur offen gelasse nen Tür zurück. Ich wollte nicht hinschauen, aber es passierte dennoch - irgendwie sah ich aus dem Augenwinkel die frische Erde mit dem Stein, den ich darauf gelegt hatte, um Raubtiere fernzuhalten, und mir wurde schwer ums Herz. Als ich wieder in der Hütte war und das Feuer schürte, spürte ich zum ersten Mal, dass er mir fehlte, und dieses Gefühl versetzte meinem Herz einen schrecklichen Schlag, denn auf einmal begriff ich die wahre Bedeutung des Wortes »tot«. Es bedeutet, dass niemand sieht, wie man lebt oder was man tut.
    Und mit der Trauer kroch noch etwas anderes zur Tür her ein, der Hauch von etwas anderem, meine ich. Es musste vom Holzstoß gekommen oder aus dem Wald hereingeweht sein, denn so ein Gefühl hatte ich

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