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Winter

Winter

Titel: Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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hübschen lichten Holländer, die köstlichen Manilas.
    Und noch eine Art von Geschäften gibt es, die seit den frühesten Zeiten ihren Zauber für mich nicht verloren haben. Es sind die Läden mit Papier, mit Bleistiften, Federn, Farben, Aquarellkästen, Linealen, Zirkeln, Zeichenkohle. Da bleibe ich lange stehen, verliebt in eine Kollektion herrlicher Pariser oder Londoner Wasserfarben, in ein Bündel edler Kohinoorstifte, in eine Schachtel mit sibirischemGraphit, in Rollen und Lagen edler Papiere. So ein Hundert Bogen von einem zart-festen, soliden Büttenpapier, das wäre ein Geschenk, mit dem man mich ködern könnte!
    Aber am Ende bekommt man kalte Füße, und zum Kaufen ist ja auch ein andermal noch Zeit. Ach, wenn mir nur Freund S. zu Weihnachten nicht einen Kodak oder einen Korb orchideen schenkt!
    (1927)
/ WEIHNACHTSABEND /
    Am dunklen Fenster stand ich lang
Und schaute auf die weiße Stadt
Und horchte auf den Glockenklang,
Bis nun auch er versungen hat.
    Nun blickt die stille reine Nacht
Traumhaft im kühlen Winterschein,
Vom bleichen Silbermond bewacht,
In meine Einsamkeit herein.
    Weihnacht! – Ein tiefes Heimweh schreit
Aus meiner Brust und denkt mit Gram
An jene ferne, stille Zeit,
Da auch für mich die Weihnacht kam.
    Seither voll dunkler Leidenschaft
Lief ich auf Erden kreuz und quer
In ruheloser Wanderschaft
Nach Weisheit, Gold und Glück umher.
    Nun rast ich müde und besiegt
An meines letzten Weges Saum,
Und in der blauen Ferne liegt
Heimat und Jugend wie ein Traum.
    // An den Eichen, Erlen, Buchen und Weiden hing Reif und gefrorener Schnee in zarten, phantastischen Gebilden. Auf den Weihern knisterte im Frost das klare Eis. Der Kreuzganghof sah wie ein stiller Marmorgarten aus. Eine frohe, festliche Erregung ging durch die Stuben, und die weihnachtliche Vorfreude gab sogar den beiden tadellosen, gemessenen Professoren einen kleinen Glanz von Milde und heiterer Aufregung ab. Unter Lehrern und Schülern war keiner, den Weihnachten gleichgültig ließ, auch Heilner begann weniger verbissen und elend auszusehen, und Lucius überlegte, welche Bücher und welches Paar Schuhe er in die Ferien mitnehmen solle. In den von Hause kommenden Briefen standen schöne, ahnungsvolle Dinge: Fragen nach Lieblingswünschen, Berichte von Backtagen, Andeutung bevorstehender Überraschungen und Freude aufs Wiedersehen. Vor der Ferienreise erlebte die Promotionund insbesondere die Stube Hellas noch eine kleine heitere Geschichte. Es war beschlossen worden, die Lehrerschaft zu einer abendlichen Weihnachtsfeier einzuladen, welche in Hellas, als der größten Stube, stattfinden sollte. Eine Festrede, zwei Deklamationen, ein Flötensolo und ein Geigenduo waren vorbereitet. Nun sollte aber durchaus auch noch eine humoristische Nummer aufs Programm. Man beriet und verhandelte, machte und verwarf Vorschläge, ohne einig zu werden. Da sagte Karl Hamel so nebenher, das Heiterste wäre eigentlich ein Violinsolo von Emil Lucius. Das zog. Durch Bitten, Versprechungen und Drohungen brachte man den unglücklichen Musikanten dazu, daß er sich hergab. Und nun stand auf dem Programm, das mit einer höflichen Einladung den Lehrern zugeschickt wurde, als besondere Nummer: »Stille Nacht, Lied für Violine, vorgetragen von Emil Lucius, Kammervirtuos«. Letzteren Titel verdankte er seinem fleißigen Üben in jener abgelegenen Musikstube.
    Ephorus, Professoren, Repetenten, Musiklehrer und oberfamulus waren eingeladen und erschienen zur Feier. Dem Musiklehrer trat der Schweiß auf die Stirne, als Lucius in einem von Hartner geborgten schwarzen Rock mit Schößen auftrat, frisiert und gebügelt, mit seinem sanft bescheidenen Lächeln. Schon seine Verbeugung wirkte wie eine Aufforderung zur Heiterkeit. Aus dem Lied »Stille Nacht« wurde unter seinen Fingern eine ergreifende Klage, ein stöhnendes, schmerzvolles Lied des Leides; er begann zweimal,zerriß und zerhackte die Melodie, trat den Takt mit dem Fuß und arbeitete wie ein Waldarbeiter bei Frostwetter.
    Fröhlich nickte der Herr Ephorus dem Musiklehrer zu, der vor Entrüstung blaß geworden war.
    Als Lucius das Lied zum drittenmal begonnen hatte und auch diesmal steckenblieb, ließ er die Geige sinken, wandte sich gegen die Zuhörer und entschuldigte sich: »Es geht nicht. Aber ich tu auch erst seit letzten Herbst geigen.«
    »Es ist gut, Lucius«, rief der Ephorus, »wir danken Ihnen für Ihre Anstrengungen. Lernen Sie nur so weiter. Per aspera ad astra!«
    (Aus: »Unterm Rad«, 1905 /

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