Winter
06)
/ HEILANDS GEBURTSTAG /
Diesmal bist du nicht das blonde Kind
In der Krippe mit den süßen Mienen,
Dem die weißen Engel lächelnd dienen,
Dem wir nur im Heimweh nahe sind.
Diesmal bist du uns der Mann und Held,
Dem der Sieg aus stillen Augen strahlte,
Der sein Werk im Kampf mit einer Welt
Ruhig mit dem eignen Blut bezahlte.
/ / ZU WEIHNACHTEN
Wieder kommt das Christkind, das vierte seit dem Beginn des Krieges. Und wenn auch manche Zeichen für das Herandämmern des Kriegsendes sprechen, so ist doch auch heute nicht abzusehen, wie lange es noch dauern werde.
Alle die, welche in irgendeiner Form opfer des Krieges geworden sind, zumal die vielen Gefangenen in Feindesland, mögen diese Weihnacht als ein Fest der Wehmut begehen, als ein Fest der Erinnerung an verlorene liebe Dinge, an Heimat und Kindheit, Frieden und Friedensglück. Und bei ihnen allen wird als tiefster Klang der Wunsch nach dem »Frieden auf Erden« laut werden, den das Weihnachtsevangelium preist.
Indessen wollen wir nicht vergessen, daß Weihnachten nicht bloß das Fest der Kinder und daß die Stimme der Engel, welche Jesu Geburt verkünden, nicht bloß eine hübsche Musik für Kinder und nicht bloß ein wehmütiger Trost für Bedrückte ist.
Nicht Kindermärchen, so schön sie seien, und nicht Christbaumglanz und Kindergesang allein sollen es sein, die Weihnachten uns bringt. Der Christgedanke, der in so vielerlei Bekenntnissen so verschiedenen Ausdruck gefunden hat, hat auch für jeden einzelnen von uns immer wieder den Wert eines neuen hohen Antriebes, einer wesentlichen Mahnung. Mag jeder sich sein eigenes Bild von derWelterlösung machen, wichtig und bedeutsam für jeden ist vor allem der Gedanke der Erlösung durch Liebe. Diese Erlösung zu suchen, werden wir nicht nur vom Chor der Weihnachtsengel gemahnt. Es rufen und mahnen uns dazu alle Stimmen der großen Denker, Dichter und Künstler, und der tiefe Wert all dieser Stimmen liegt einzig darin, daß sie eine Wirklichkeit, einen Weg, eine Möglichkeit verkünden, die in jedes Menschen Brust lebendig vorhanden ist.
Weihnachten soll uns darum, wie jedes Fest, nicht bloß eine Rückschau, sondern ein inneres Aufraffen und Zusammenfassen allen guten Willens in uns sein. Denn denen, »die eines guten Willens sind«, gilt die Verheißung.
Eines guten Willens sind wir nicht, wenn wir nur um Verlorenes trauern, uns nur des Unwiederbringlichen erinnern. Wir sind es nur, wenn wir des Besten, Lebendigsten in uns selber bewußt werden und der Stimme dieses Bewußtseins folgen. Wer daran ernstlich denkt, wer in sich das Gelöbnis erneut, seinem Besten treu zu bleiben, der ist in der rechten Stimmung, das Fest zu feiern. Und ihm werden Festglocken und Kerzenlichter, Gesang und Geschenke erst den rechten Wert und Glanz gewinnen.
(1917)
/ WEIHNACHT DES ALTEN /
Als ich ein Knabe war, in Weihnachtszeiten,
Wie war ich selig da und unersättlich,
Im Duft der Kerzen mit dem neuen Spielzeug
Zu spielen unterm Tannenbaum: dem Roß,
Dem Bilderbuch, der Eisenbahn, der Violine!
Und wenn auch jedes Spielzeug bald erlosch
Und Alltag wurde, jeder Weihnachtsbaum
War wieder neu, war Fest und Wunder,
Umfing mich wieder mit dem Zaubernetz.
Heut weiß ich keine neuen Spiele mehr,
Erschöpft ist Glanz und Lust, der lange Weg
Liegt hinter mir, zerbrochenen Spielzeugs voll,
Die Scherben klirren. Doch die Sehnsucht malt
Mir einen letzten, höchsten Zauber noch
In holden Farben aus: das letzte Fest,
Den Ausgang aus der Spiel- und Kinderwelt,
Den Eingang in die nächste, tief ersehnt.
Dein denk ich, wenn die leergewordne Welt
Um mich mit ihren farbigen Scherben flirrt,
Dein denk ich, letztes Spiel, geliebter Tod!
Aufglänzen wird noch einmal Kinderlust,
Noch einmal wird der dürre Christbaum blühn
Und Wunder strahlen, daß im dunkeln Schacht
Das Herz von neuer Wonne bang erquillt.
Und zwischen Kerzenglanz und Tannenduft
Und all dem Wust zerbrochner Spielerei’n
Wird aus dem wonnevollen Dunkel
Die ferne Stimme meiner Mutter rufen.
/ IN WEIHNACHTSZEITEN /
In Weihnachtszeiten reis’ ich gern
Und bin dem Kinderjubel fern
Und geh in Wald und Schnee allein.
Und manchmal, doch nicht jedes Jahr,
Trifft meine gute Stunde ein,
Daß ich von allem, was da war,
Auf einem Augenblick gesunde
Und irgendwo im Wald für eine Stunde
Der Kindheit Duft erfühle tief im Sinn
Und wieder Knabe bin …
// NACH DER WEIHNACHT
Etwas beklommen sah ich in den Tagen nach dem Weihnachtsfest auf meiner Kommode die paar Päckchen herumliegen,
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