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Winterkind

Winterkind

Titel: Winterkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Mer
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durchscheinend, fast völlig unsichtbar. Nur die Augen waren deutlich, und es lag etwas in ihnen, etwas, das vertraut war und gleichzeitig fremd; etwas, das nicht ihr gehörte … Sie sah zur Seite, rasch, wie verstohlen, als hätte sie durch Zufall etwas entdeckt, was nicht entdeckt werden sollte. Jemand anderen in ihren eigenen Augen. Einen anderen Blick aus ihrem eigenen Spiegelbild. Jahre hatte er nicht mehr auf ihr geruht …
    Sie schwebte dort draußen über dem Schnee. Ihr Gesicht war es, das sich jetzt auf die Leinwand malte. In verwischten, verblassten Farben, von sehr weit her. Es war einmal, mitten im Winter.
    Die Schauder kamen wieder, krochen Blankas Kreuz hinunter. Sie wollte ihn nicht sehen, diesen Blick.
    „Niemals wieder“, flüsterte sie. Die Worte gaben ihr Halt. Sie strich sich die Taille glatt und wandte sich zur Tür, die in die Halle führte. Zarter Nippes auf den vielen Beistelltischchen klingelte leise, als ihr Rock daran vorbeiwischte. Draußen flatterten krächzend die kleinen, scharf umrissenen Schatten in den Zweigen; Blanka nahm sie noch wahr, aber drehte sich nicht wieder um.

    Die Kutsche rumpelte über den hart gefrorenen Schnee. Die eisenbeschlagenen Räder knirschten, rutschten, fassten wieder Grund. Der Wagenkasten schlingerte auf der schlechten Federung, an irgendeiner losen Stelle schlug das Verdeck. Die Luft im Innern war so kalt, dass jeder Atemzug wie Rauch unter der Decke hängen blieb.
    Unter dem karierten Reiseplaid spürte Sophie ihren Körper kaum noch. Endlose Stunden in dem schaukelnden Gefährt, tausend Knüffe und Stöße, gegen die man sich in der Ecke verkeilte und die doch immer unerwartet kamen und aus einer ganz anderen Richtung, sodass man wieder herumgeschleudert wurde. Zweimal war sie schon vor den Stiefeln des Herrn von Rapp auf dem feuchten Boden gelandet, einmal beinahe auf dem Schoß des Dieners, der neben ihm saß. Sie drückte den Rücken und die Ellenbogen steif gegen die Polsterlehne und stemmte die Füße in den engen Knöpfstiefeln fest gegen den Boden.
    Das kleine Mädchen neben ihr hatte es noch schwerer. Die Beine reichten noch nicht bis nach unten, sie schwangen hin und her bei jedem neuen Stoß, und das Kind rutschte nach vorn, auf die Polsterkante zu. Immer wieder musste Sophie sich zur Seite beugen und ihr „Fräulein Johanna!“ zischen, damit das Mädchen sich mühsam aufrappelte und wieder gerade hinsetzte. Das hübsche, blasse Gesicht unter den schwarzen Locken wurde immer müder – und trotziger. Still war das Kind zuerst gewesen, eigenartig still in den ersten Stunden der Fahrt. Als ob ihm etwas auf der kleinen Seele läge, wie eine nicht gebeichtete Missetat. Aber je näher sie dem vertrauten Herrenhaus kamen, desto mehr kehrte seine Lebhaftigkeit zurück. Sophie wusste nicht, ob sie darüber erleichtert sein sollte.
    Jetzt murmelte das Mädchen etwas gegen das Fenster, leise, aber nicht leise genug. Sophie versuchte, es zu überhören, sich auf das Rumpeln der Kutsche zu konzentrieren. Aber es war immer etwas in Johannas Stimme, etwas Helles, das Aufmerksamkeit erzwang, wie der Klang einer kleinen, silbernen, ganz sanft geblasenen Trompete. Selbst, wenn sie so erschöpft war, dass sie beinahe vom Sitz fiel.
    „Warum können wir nicht durch den Park nach Hause gehen? Mir tut alles so weh …“
    Der Diener Anton räusperte sich und deutete warnend mit dem Kinn auf die Gestalt neben sich. Im Gehpelz vergraben, den Hut tief heruntergezogen, sah Johann von Rapp seit Stunden starr und in tiefen Gedanken versunken aus dem Kutschenfenster.
    „Fräulein Johanna!“, zischte Sophie pflichtschuldig und kam sich vor wie eine Automatenfigur auf dem Jahrmarkt. Eine kaputte, zerschlagene Figur. Nur der winzige Phonograph im Inneren funktionierte noch, spielte immerfort dieselbe Melodie auf seiner Walze: Fräulein Johanna, Fräulein Johanna …
    „Wir sind bald da“, sagte sie milder. „Sitzen Sie still und stören Sie Ihren Herrn Vater nicht.“
    Sie ignorierte den bockigen Seufzer, spähte aus dem Fenster, zum hundertsten Mal. Der endlose Schnee … Er machte es so schwer, Entfernungen abzuschätzen. Und er verwandelte alle vertrauten Wegzeichen in fremde und falsche Signale. Sie schienen die letzten Häuser des Dorfs hinter sich gelassen zu haben; waren sie wirklich bald da? Das gleichgültige, nichtssagende Weiß zog vor Sophies Augen vorüber, und fast fühlte es sich an, als würden sie ewig so weiterfahren müssen.
    „Ich kann den

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