Wintermond
geätzt hatte. Die sitzende Frau bedeckte das Gesicht mit den Händen, Jack kniff die Augen zu, und Glas ergoß sich über den Tresen, hinter dem sie Deckung gesucht hatten. Als er die Augen öffnete, stürmten endlose Schlachtreihen von Schatten und Licht durch das Büro. Der Wind, der durch die zertrümmerte Tür stob, war nicht mehr frostig, sondern heiß, und die Erscheinungen, die über die Wände glitten, waren Spiegelungen von Feuer. Der Verrückte mit der Uzi hatte eine oder mehrere Zapfsäulen in die Luft gejagt. Vorsichtig zog Jack sich an dem Tresen hoch, wobei er darauf achtete, das linke Bein nicht zu belasten. Obwohl er bislang nur durch diese Verletzung behindert war, vermutete er, daß seine Lage sich plötzlich und bald verschlimmern würde. Er wollte nicht noch selbst dazu beitragen, indem er irgend etwas unternahm, weil er befürchtete, daß ein weiterer heftiger Schmerz ihn auf der Stelle das Bewußtsein verlieren lassen würde. Brennendes Benzin spritzte unter beträchtlichem Druck aus einer der durchsiebten Zapfsäulen hoch und fiel wie geschmolzene Lava auf die Teerdecke. Das Gelände der Tankstelle lag etwas höher als die vielbefahrene Straße, und grelle Feuerbäche flossen in deren Richtung hinab. Die Explosion hatte das Dach des Portikus über den Zapfsäulen in Brand gesetzt. Flammenzungen leckten schnell zum Hauptgebäude hinüber. Der Lexus brannte. Das verrückte Arschloch hatte seinen eigenen Wagen in Brand gesetzt, und diese Tat rief auf seltsame Art und Weise den Eindruck hervor, daß er völlig die Beherrschung verloren hatte und noch gefährlicher als zuvor war. In dem Inferno, das mit jeder Sekunde, da das Benzin über die Teerdecke floß, größer wurde, war der Mörder nirgendwo zu sehen. Vielleicht war er endlich wieder zu Verstand gekommen und zu Fuß geflohen. Aber wahrscheinlicher war, daß er sich in der Werkstatt mit den zwei Reparaturbuchten befand und versuchte, über diesen Umweg zu ihnen zu gelangen, statt sich kühn durch den zertrümmerten Haupteingang zu nähern. Keine fünf Meter von Jack entfernt verband eine lackierte Metalltür die Werkstatt mit dem Büro. Sie war verschlossen. Er lehnte sich auf die Theke, umfaßte den Revolver mit beiden Händen und zielte auf die Tür, die Arme weit ausgestreckt, bereit, den Verrückten bei der ersten Gelegenheit in die Hölle zu schicken. Seine Hände zitterten. Ihm war so kalt. Er versuchte, die Waffe ruhig zu halten, und das half ein wenig, doch er konnte das Zittern nicht völlig unterdrücken. Die Dunkelheit an den Rändern seines Sichtfelds hatte sich zwischenzeitlich zurückgezogen, doch nun rückte sie wieder näher heran. Er blinzelte heftig, versuchte, die erschreckende periphere Blindheit mit Tränen wegzuspülen, was ihm bei einem Staubkorn vielleicht gelungen wäre, doch in diesem Fall nicht. Die Luft roch nach Benzin und heißem Teer. Der Wind änderte seine Richtung und blies Rauch in den Raum - nicht viel, gerade genug, daß Jack Hustenreiz verspürte. Er biß die Zähne zusammen und krächzte nur leise in seiner Kehle, weil der Mörder vielleicht auf der anderen Seite der Tür stand und lauschte. McGarvey hatte den Revolver noch immer genau auf den Durchgang zur Werkstatt gerichtet und warf einen Blick in die Wirbel des ungestümen Feuers und der aufgewühlten schwarzen Rauchwolken hinaus. Er befürchtete, daß er sich irrte. Der Schütze würde vielleicht doch aus dem Feuer auftauchen, wie ein Dämon aus der Hölle. Wieder die Metalltür. Hellblau lackiert. Wie tiefes,klares Wasser, das man durch eine kristalline Eisschicht sieht. Die Farbe ließ ihn frösteln. Alles ließ ihn frösteln - das hohle, eisenharte Hämmern seines wie verrückt schlagenden Herzens, das flüsterleise Weinen der Frau, die hinter ihm auf dem Boden kauerte, die funkelnden Glasscherben. Sogar das Tosen und Knistern des Feuers ließ ihn frösteln. Draußen hatten die sengenden Flammen den Portikus überwunden und die Vorderseite der Tankstelle erreicht. Das Dach mußte mittlerweile in Flammen stehen. Die hellblaue Tür. Öffne sie, du verrückter Schweinehund. Komm schon, komm schon, komm schon. Noch eine Explosion. Er mußte den Kopf vollständig von der Tür zur Werkstatt abwenden und direkt zur Tankstelle sehen, um ausmachen zu können, was passiert war, denn er hatte seine periphere Sicht fast vollständig verloren. Der Benzintank des Lexus. Die Flammen hatten das Fahrzeug verschlungen und auf das schwarze Skelett eines Wagens
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