Winterwunder
hammermäßige Hochzeiten.«
1
Die Chaosbraut rief morgens um fünf Uhr achtundzwanzig an.
»Ich hatte einen Traum«, berichtete sie Parker, die mit ihrem BlackBerry im Dunkeln lag.
»Einen Traum?«
»Einen irren Traum. So real, so eindringlich , so bunt und voller Leben! Ich bin sicher, das hat etwas zu bedeuten. Ich rufe gleich meine Hellseherin an, aber ich wollte zuerst mit Ihnen darüber sprechen.«
»Okay.« Mit geübtem Griff dimmte Parker ihre Nachttischlampe herunter. »Worum ging es in dem Traum, Sabina?«, fragte sie, während sie Block und Stift nahm, die neben der Lampe bereitlagen.
»Um Alice im Wunderland.«
»Sie haben von Alice im Wunderland geträumt?«
»Genauer gesagt von der Teegesellschaft beim verrückten Hutmacher.«
»Disney oder Tim Burton?«
»Was?«
»Nichts.« Parker schüttelte ihr Haar zurück und notierte sich Stichpunkte. »Erzählen Sie weiter.«
»Also, es gab Musik und ein großes Festmahl. Ich war Alice, aber ich hatte mein Brautkleid an, und Chase einen Stresemann, in dem er einfach umwerfend aussah. Die Blumen, oh, die waren fantastisch, und sie haben alle gesungen und getanzt. Alle waren so glücklich, haben uns zugeprostet und applaudiert. Angelica war als Rote Königin angezogen und hat Flöte gespielt.«
Parker notierte sich EBJ für Angelica, die Erste Brautjungfer, und schrieb dann weitere Teilnehmer der Hochzeitsgesellschaft auf. Den Trauzeugen des Bräutigams als weißes Kaninchen, die Mutter des Bräutigams als Grinsekatze, den Brautvater als Märzhase.
Sie fragte sich, was Sabina vor dem Schlafengehen wohl gegessen, getrunken oder geraucht hatte.
»Ist das nicht faszinierend, Parker?«
»Auf jeden Fall.« Genau wie das Muster der Teeblätter, das über die Farben der Braut entschieden hatte, das Tarot-Orakel, durch welches das Ziel für die Flitterwochen vorausgesagt worden war, die Numerologie, die einen Hinweis auf das einzig mögliche Hochzeitsdatum gegeben hatte.
»Ich denke, vielleicht sagen mir mein Unterbewusstsein und das Schicksal, dass ich eine Hochzeit mit dem Thema Alice im Wunderland feiern sollte. Mit Kostümen.«
Parker schloss die Augen. Zwar hätte sie sofort zugestimmt, dass die Teegesellschaft des verrückten Hutmachers wie die Faust aufs Auge zu Sabina passte, doch bis zur Feier waren es nicht einmal mehr zwei Wochen, und die Dekoration, die Blumen, die Torte und die Desserts, die Speisenfolge – alles nur Denkbare war bereits festgelegt.
»Hm«, sagte Parker, um sich einen Augenblick Zeit zum Überlegen zu verschaffen. »Das ist eine interessante Idee.«
»Der Traum …«
» … sagt mir«, fiel Parker der Braut ins Wort, »dass Sie mit der feierlichen, magischen, märchenhaften Atmosphäre, für die Sie sich bereits entschieden haben, vollkommen richtig liegen.«
»Wirklich?«
»Aber ja. Der Traum zeigt mir, dass Sie aufgeregt und glücklich sind und Ihren großen Tag kaum erwarten können. Denken Sie daran, die Teegesellschaft bei dem verrückten Hutmacher fand jeden Tag statt. Der Traum sagt Ihnen, dass jeder Tag Ihres Lebens mit Chase ein Fest sein wird.«
»Oh! Natürlich!«
»Und, Sabina, wenn Sie am Tag Ihrer Hochzeit in der Suite der Braut vor den Spiegeln stehen, sehen Sie darin sich selbst – jung, abenteuerlustig und glücklich wie Alice.«
Mann, ich bin gut, dachte Parker, als die Chaosbraut seufzte.
»Sie haben Recht. Sie haben vollkommen Recht. Ich bin so froh, dass ich Sie angerufen habe. Ich wusste, Sie würden wissen, was das bedeutet.«
»Dafür sind wir da. Es wird eine schöne Hochzeit, Sabina. Ihr perfekter Tag.«
Nachdem sie eingehängt hatte, legte Parker sich für einen Augenblick wieder aufs Bett, doch als sie die Augen schloss, flimmerte vor ihrem inneren Auge wie wahnsinnig die Disney-Version der Teegesellschaft beim verrückten Hutmacher vorüber.
Resigniert stand sie auf und ging quer durch den Raum, der einst das Schlafzimmer ihrer Eltern gewesen war, zu den Fenstertüren, die auf den Balkon hinausführten. Sie öffnete sie, um die frische Morgenluft hereinzulassen, und atmete in der frühen Dämmerung tief durch, während die Sonne gerade eben über den Horizont lugte.
Die letzten Sterne verloschen blinzelnd in einer Welt, die so perfekt, so wunderbar still war, als hätte sie den Atem angehalten.
Das Positive an Chaosbräuten und dergleichen war dieses Wachsein schon vor Tagesanbruch, wenn es war, als ob sich außer ihr noch nichts und niemand regte. Nichts und niemand außer ihr
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