Winterzauber
Möbelschleppen gesehen und dann stieg auf einmal Jano aus dem Transporter. Tja, und das war's dann mit meinen Selbstmordplänen.“
Wieso erzählte er mir das? Wieso? Ich würde nicht fragen, weil ich instinktiv wusste, dass mir die Antwort nicht gefallen würde. „Wieso hast du solange gewartet?“, fragte ich Baxter stattdessen.
„Hast du vergessen, wie jung Jano damals war?“
Ich schnaubte. „Er war siebzehn.“
„Und ich fünfundzwanzig, wie du, und außerdem ein völlig entstellter Freak.“
Was sollte denn dieser Blödsinn jetzt? „Du bist kein Freak“, widersprach ich empört, was Baxter mit einem Schulterzucken und einem verlegenen Grinsen kommentierte.
„Ja, mag sein, aber den Gedanken wirst du niemals gänzlich aus meinem Kopf bekommen, also spar' dir die Mühe.“
Ich beließ es dabei, denn was das anging, dachten wir beide gleich. Deshalb saß ich ja gerade hier und traute mir nicht zu, eine Entscheidung zu treffen, was Wynn anging. Wann war die Welt eigentlich so kompliziert geworden? Ich hätte eine ganze Menge dafür gegeben, die Zeit zurückdrehen zu können, weil ich dann einige Dinge garantiert anders gemacht hätte.
„Es war eine Eisenstange.“
„Was?“, fragte ich, weil ich nicht wusste, was Baxter meinte.
„Eine Schlägerei. Ein dämlicher Streit, um ehrlich zu sein. Ich war angetrunken und geriet mit einem Kollegen vom Bau aneinander. Ich weiß gar nicht mehr, um was es bei dem Streit ging. Wir hätten uns nur nicht auf der Baustelle zanken sollen. Ein mieses Wort gab das andere, und am Ende bekam ich eine Eisenstange ins Gesicht.“
Dabei hätte er sterben können. Großer Gott. „Bax...“
Er winkte ab. „Vergiss es. Ist lange her und dank Jano kann ich mittlerweile ganz gut damit leben.“
Mal abgesehen von den Blicken der Leute und von ihrem Zurückweichen, wenn sie das erste Mal auf Baxter trafen, aber den Gedanken behielt ich für mich. Baxter hatte genug damit zu kämpfen, anders zu sein, als der Durchschnitt, da musste ich nicht noch in der Wunde herumbohren.
„Du hast mit dem Geld vom Bau deine Galerie finanziert“, fiel mir ein, denn das hatte er mir irgendwann mal erzählt.
Baxter nickte. „Stimmt. Und bevor dir die Worte ausgehen, weil du mich nicht fragen willst, sage ich es dir so. Ich habe dir gerade davon erzählt, weil ich will, dass du das machst, was ich damals getan habe.“
Mist. Konnte er jetzt schon Gedanken lesen? „Ich verstehe nicht.“
Baxter lachte leise und sah mich dabei tadelnd an. „Und ob du das tust. Ich will, dass du dich traust, Wynn eine Chance zu geben. So wie ich mich getraut habe, Jano anzusprechen.“
„Du hast ganz schön lange dafür gebraucht.“
Baxter drohte mir spielerisch mit der Faust. „Versuch jetzt ja nicht, dich rauszureden, Logan. Wir wohnen hier nicht erst seit gestern.“
„Ich habe mich nie bei dir bedankt.“
„Logan!“
„Nein, ernsthaft“, hielt ich dagegen und daraufhin sah mich Baxter überrascht an. „Du hast mit Jano in New York alles für mich aufgegeben.“
„Ach das meinst du.“ Baxter zuckte die Schultern. „Aber du musst dich dafür nicht bei mir bedanken. Meine Galerie läuft hier auch und ich kann meine Kunstwerke überall im ganzen Land ausstellen. Wo ich lebe, ist mir egal, solange Jano bei mir ist. Und du hast uns nun mal gebraucht.“
Es war wohl besser, das Thema sein zu lassen. „Eigentlich erstaunlich, dass ein Kerl wie du solche Kunstwerke mit seinen Händen erschaffen kann“, sagte ich daher und dachte an diese große Engelsskulptur, die er im letzten Jahr für den Friedhof gemacht hatte.
Baxter wurde leicht rot und das lag nicht an der Kälte hier draußen. Mit Komplimenten konnte er nicht umgehen und tat sie oft mit einem Schulterzucken ab. Er liebte seine Arbeit mit den Händen und die Leute liebten, was er dabei erschuf. Hätte mir vor unserem Kennenlernen jemand gesagt, dass Baxter ein Bildhauer war, ich hätte ihm nicht geglaubt.
Andererseits hatte mir früher auch nie jemand abgekauft, dass ich Autor war. Gabriel hatte mich nur angebaggert, weil er mich für ein Model gehalten hatte. Weder er noch ich waren damals an einer festen Beziehung interessiert gewesen, aber nach unserer ersten Nacht waren wir nicht mehr voneinander losgekommen. Keine Ahnung, wieso. Stattdessen waren wir in ein chaotisches Auf und Ab gestolpert, das trotz mehr als einer Krise über ein Jahrzehnt gehalten hatte.
Mit siebenunddreißig Jahren, hatte ich beruflich gesehen längst
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