Winterzauber
mit Gabriels Gesicht einfach nur vergessen.
Ich hätte allerdings nie damit gerechnet, dass ausgerechnet Baxter meinen schönen Plan noch am selben Abend ruinieren würde. Statt meine Entscheidung zu akzeptieren, legte er mir den Brief beim Abendessen mitten auf meinen Teller, da hatte ich gerade nach den Kartoffeln gegriffen.
„Aufmachen!“, verlangte er ruhig.
„Nein!“, konterte ich genauso ruhig, obwohl es innerlich in mir brodelte, und stellte die Kartoffeln wieder ab.
Janosch, der mir gegenüber saß, lehnte sich daraufhin auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du verlässt die Küche nicht, bis du Wynns Brief gelesen hast.“
Wie bitte? Waren die zwei jetzt völlig verrückt geworden? „Habt ihr sie noch alle? Das ist Erpressung.“
Mein Bruder sah mich wütend an. „Das ist mir egal, Logan. Aufmachen! Seit einer Woche sitzt du jetzt hier im Haus und grübelst, ich gucke mir das nicht länger an.“
„Jano hat Recht“, klinkte sich Baxter mit ein. „Wenn Wynn nicht diesen Brief geschickt hätte, hätten wir ihn spätestens im nächsten Jahr kontaktiert. So geht das nicht weiter.“
Die beiden hatten wirklich den Verstand verloren. „Ich will nichts von ihm! Ist das so schwer zu verstehen?“
Janosch tippte sich vielsagend gegen die Stirn. „Wem willst du das verkaufen? Dir selbst oder uns, Logan? Ich habe keine Ahnung, was zwischen euch in der Nacht abgelaufen ist, aber ich weiß, dass Wynn am nächsten Morgen ziemlich durch den Wind war. Ihr klärt das, egal wie. Und wenn ich dich dafür an deinen Haaren zu ihm schleifen muss. Jetzt lies endlich diesen verfickten Brief!“
Ich wollte nicht. Rein schon aus Trotz, weil die beiden mich förmlich zu zwingen versuchten, aber mir war durchaus klar, dass ich nicht aus der Küche kam, wenn sie es nicht wollten. Ich war Baxter körperlich nun mal weit unterlegen und sein Gesichtsausdruck war eindeutig. Er würde mich nicht gehen lassen, bis ich diesen verfluchten Brief geöffnet und vor allem gelesen hatte.
„Das zahl' ich euch heim“, knurrte ich schließlich und griff nach dem verdammten Brief, um ihn zu öffnen.
Neben einem gefalteten Blatt Papier war noch irgendetwas Schweres und Glitzerndes in dem Umschlag. Ich drehte den Brief kurzerhand um. Heraus fiel ein zwölfzackiger Stern, der an einem roten Samtband hing. Er landete mit einem lauten Klappern auf meinem Teller.
„Ein Stern?“ Janosch sah mich überrascht an.
Ich zuckte ratlos mit den Schultern, denn ich hatte keine Ahnung, aus welchem Grund Wynn mir einen Stern schickte. Ich würde den Brief lesen müssen, um es herauszufinden. Das entpuppte sich allerdings als schwierig, denn ich konnte mich einfach nicht dazu durchringen, das Blatt Papier in die Hand zu nehmen.
Am Ende war es Baxter, der den Brief an sich nahm und ihn vorzulesen begann.
'Hallo Logan,
ich weiß nicht, ob dieser Brief eine gute Idee ist, aber ich bin kein Mensch, der Dinge unbeendet stehenlässt, daher hoffe ich, dass du ihn lesen und meine Entschuldigung annehmen wirst.
Ich hätte dich da draußen im Schnee nicht so überrumpeln dürfen, es tut mir leid. Wahrscheinlich fragst du dich nach dem Grund und ich kann dazu nur sagen, dass da irgendetwas an dir war, dass mich nervös gemacht hat. Das tut es immer noch. Ich hätte das anders ausdrücken können, als mit einem Kuss, aber ich kann ihn nicht mehr ungeschehen machen.
Wenn du einverstanden bist, möchte ich dich trotz unseres ziemlich missglückten Anfangs näher kennenlernen.
Mir ist bewusst, dass mein Gesicht nicht gerade die perfekte Voraussetzung für eine Freundschaft ist. Besonders, wenn ich daran denke, was es für dich bedeutet hat. Ich bin nicht Gabriel und ich kann dir deinen Freund nicht zurückbringen. Ich will es auch gar nicht, denn ich bin am Leben, er nicht.
Deine Erinnerung an ihn würde ich dir nie nehmen wollen, Logan, dazu ist sie viel zu wichtig, aber vielleicht erlaubst du mir eines Tages, deinen Erinnerungen an Gabriel neue von uns hinzuzufügen.
Sieh den Stern als Weihnachtsgeschenk und gleichzeitig als Hoffnung.
Behalte ihn als Erinnerung an mich und schick' ihn zu mir zurück, wenn du dazu bereit bist, mich kennenzulernen.
Ich werde warten.'
„Keine Unterschrift“, sagte Baxter leise, aber die war auch gar nicht nötig. Wynn hatte mit seinen Worten alles gesagt.
„Wow“, meinte Janosch beeindruckt und sah mich fragend an. „Ihr habt euch geküsst?“
Darauf würde ich
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