Wir in drei Worten
»Ich fahre über das Wochenende nach Hause – ich habe keine Lust, hierzubleiben und mir diesen Mist anzuhören. Schau dich nach einer anderen Wohnung um.«
Ich lasse mich auf das Sofa fallen und lege die Hände in den Schoß. Ich lausche den Geräuschen, während er oben herumstampft und seine Reisetasche packt. Tränen laufen mir über die Wangen und tropfen in den Ausschnitt meines T-Shirts, das gerade ein wenig getrocknet war. Ich höre Rhys in der Küche und begreife, dass er die Herdplatte unter dem Topf mit dem Chili ausmacht. Irgendwie ist dieser kleine Moment der Umsicht schlimmer als alles, was er noch sagen könnte. Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen.
Nach einigen Minuten schrecke ich durch seine Stimme direkt neben mir hoch.
»Gibt es einen anderen?«
Ich richte meinen Blick aus tränenverschleierten Augen auf ihn. »Was?«
»Du hast mich schon verstanden. Gibt es einen anderen?«
»Natürlich nicht.«
Rhys zögert und fügt dann hinzu: »Ich weiß nicht, warum du jetzt weinst. Das ist doch, was du wolltest.«
Er schlägt die Haustür so fest hinter sich zu, dass es wie ein Pistolenschuss klingt.
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2
D er Schock meines plötzlichen Singledaseins ruft meine beste Freundin Caroline und unsere gemeinsamen Freunde Mindy und Ivor auf den Plan. Sie scharen sich um mich und stellen mir die eine Frage, die echtes Mitgefühl beweist: »Sollen wir ausgehen und uns richtig betrinken?«
Rhys fehlt ihnen dabei nicht. Er hat meine Freunde immer als
meine
Freunde betrachtet. Häufig hat er angemerkt, dass »Mindy und Ivor« sich anhört wie das Moderatorenteam einer Kindersendung. Mindy ist Inderin und heißt eigentlich Parminder. Sie sagt, die Abkürzung »Mindy« ist ihr Alias in der Welt der Weißen. »Damit kann ich mich unerkannt unter ihnen bewegen. Wenn man außer Acht lässt, dass meine Haut braun ist.«
Was Ivor betrifft – sein Dad hat eine Vorliebe für nordische Sagen. Wegen eines alten Zeichentrickfilms hatte er es mit diesem Namen nicht immer leicht. Die Rugbyspieler im Studentenwohnheim an der Uni nannten ihn »die Dampflokomotive« und behaupteten, dass er in bestimmten intimen Augenblicken »Tsch-tsch-pfft, tsch-tsch-pfft« mache. Dieselben Rugbyspieler tranken als Mutprobe den Urin und die Spucke der anderen und trieben Ivor auf das Stockwerk der Mädchen. So wurden wir zu einer gemischten Vierergruppe. Unsere platonische Freundschaft, verbunden mit seinem glattrasierten Schädel, der schwarzen Hornbrille und seiner Vorliebe für trendige Turnschuhe aus Japan, führte dazu, dass viele Leute mutmaßten, Ivor sei schwul. Mittlerweile programmiert er Computerspiele, und da in seinem Beruf kaum Frauen tätig sind, fürchtet er, dass ihn dieses Missverständnis um wertvolle Gelegenheiten bringt.
»Das widerspricht doch jeglicher Logik«, beklagt er sich häufig. »Warum sollte ein Mann, der sich mit Frauen umgibt, homosexuell sein? Bei Hugh Hefner vermutet man das doch auch nicht. Wahrscheinlich sollte ich den ganzen Tag in Morgenmantel und Hausschuhen herumlaufen.«
Wie auch immer, ich bin noch nicht bereit für eine gutbesuchte Cocktailbar, also plädiere ich für einen Abend in häuslicher Umgebung, obwohl der Alkoholkonsum dort meist verhängnisvoller ist.
Carolines Haus in Chorlton ist die beste Wahl für ein Treffen, denn im Gegensatz zu uns anderen ist sie verheiratet und im Besitz eines großartigen Objekts. (Ich meine das Haus, nicht den Ehemann – bei allem Respekt für Graeme. Er verbringt wie so oft ein Wochenende mit seinen Kumpels beim Golfen.) Caroline ist eine sehr gut bezahlte Buchhalterin für eine sehr große Supermarktkette und eine richtig erwachsene Frau. Aber das war sie eigentlich schon immer. Zu Unizeiten trug sie Steppwesten und war Mitglied im Ruderclub. Als ich mich den anderen gegenüber erstaunt darüber äußerte, dass sie es nach einer durchzechten Nacht schaffte, früh aufzustehen und zu trainieren, antwortete Ivor verkatert: »So sind die vornehmen Leute eben. Das sind die normannischen Gene. Sie muss losziehen und alles und jeden erobern.«
In Bezug auf ihre Vorfahren mochte er durchaus recht haben. Sie ist groß, blond und hat ein Profil, das man, glaube ich, aquilin nennt. Sie selbst findet, dass sie aussieht wie ein Ameisenbär. Wenn schon, dann handelt es sich allerdings um einen mit Grace Kelly verwandten Ameisenbären.
Ich habe die Aufgabe bekommen, auf Carolines fleckenloser, schwarz glänzender Arbeitsplatte aus Corian Limonen zu
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