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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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Alles Weitere war denen egal. Christiane konnte sich ungehindert aus dem Staub machen.
    Ich war sehr verbittert über diese Schlamperei, die nun alles über den Haufen zu werfen drohte.
    Nach dieser Erfahrung verlor ich den letzten Glauben in die Institutionen. Nur du ganz allein kannst deinem Kind und dir helfen, sagte ich mir. Herr Tillmann versuchte, mir neuen Mut zu geben. Zu ihm hatte ich ja auch Vertrauen.
    Christiane blieb zum Glück nicht lange weg. Sie heulte sich am nächsten Abend bei mir aus. Es täte ihr ja alles so leid. Sie hätte sich schon wieder Heroin gedrückt. Ich schimpfte sie nicht aus. Ich hatte keine Aggressionen mehr gegen sie. Wie oft hatte ich zuvor aus lauter Verzweiflung über meine Unfähigkeit, ihr zu helfen, meine ganze Wut an Christiane ausgelassen. Als sie nun wieder bei mir war, nahm ich sie in den Arm und wir redeten in Ruhe miteinander.
    Christiane wollte den Plan, den wir mit Herrn Tillmann aufgestellt hatten, unbedingt weiter verfolgen. Und ich sagte, gut, so machen wir’s. Aber ich gab ihr auch klipp und klar zu verstehen, dass sie unwiderruflich nach Westdeutschland kommt, wenn sie noch ein einziges Mal Mist baut. Das hat sie sich sehr zu Herzen genommen und gab mir darauf ihr Ehrenwort.
    In diesen Tagen ging sie regelmäßig zur Drogenberatungsstelle.
    Sie klammerte sich wirklich an diese Therapie-Aussicht. Manchmal wartete sie stundenlang, ehe sie beim Drogenberater an die Reihe kam. Zu Hause setzte sie sich hin und schrieb ihren Lebenslauf für die Aufnahmeprozedur.
    Es sah alles sehr gut aus. Der Therapieplatz schien nun so gut wie sicher. Die Wohngemeinschaft, die sie aufnehmen sollte, stand schon fest. Wir sprachen schon darüber, dass sie Weihnachten dann wohl nicht zu Hause feiern kann. Denn es war bereits Anfang November.
    Ihr Vater hatte inzwischen auch die Erfolglosigkeit seiner Bemühungen eingesehen und legte sich nicht mehr quer. Es war echt Land in Sicht. Doch ausgerechnet jetzt kam Christianes zweite Gelbsucht dazwischen. Über Nacht hatte sie auf einmal fast 41 Grad Fieber. Am nächsten Vormittag brachte ich sie ins Klinikum Steglitz. Christiane war quittegelb. Sie konnte nicht mehr stehen und kroch auf dem Gang. Nach der Untersuchung sagte die Ärztin, Christiane hätte einen Leberstau auf Grund ihres Drogenmissbrauchs. Leider könne man sie aber hier nicht behalten, weil es im Klinikum Steglitz keine Isolierstation gebe. Das stimmte nicht. Ich hab mich später erkundigt: Das Klinikum Steglitz hat eine Isolierstation mit 25 Betten. In Wahrheit wollten sie keinen Fixer in dem feinen Klinikum haben. Immerhin machte uns die Ärztin noch einen Aufnahmetermin im Rudolf-Virchow-Krankenhaus für den nächsten Vormittag perfekt.
    Innerhalb von ein paar Tagen ließ die Gelbfärbung bei Christiane nach. Bald war sie wieder ganz munter und freute sich bereits auf die Therapie. Ihr Gesprächspartner aus der TU-Drogenberatungsstelle besuchte sie sogar. Mit vereinten Kräften hielten wir sie bei der Stange. Ich war zuversichtlich wie schon lange nicht mehr.
    Bis zu dem Tag, an dem Christianes Freundin Stella sie besuchte. Obwohl ich die Stationsschwester eindringlich gebeten hatte, aus gutem Grund niemanden mit Ausnahme des Drogenberaters ohne meine Begleitung zu Christiane zu lassen.
    Ich hatte allerdings den unverzeihlichen Fehler gemacht, einmal Detlef mitzunehmen. Christiane hatte es sich so sehr gewünscht. Detlef war aus dem Gefängnis, wo er entzogen hatte, auf Bewährung entlassen worden. Er hatte jetzt auch einen Therapieplatz ergattert. Ich gönnte den beiden ein Wiedersehen. Sie hingen ja aneinander. Und ich dachte, vielleicht bestärkt sie das gegenseitig, wenn sie wissen, der andere geht auch in Therapie. Wie konnte ich nur so einfältig sein.
    Christiane büchste schon bald für einen Nachmittag aus. Als ich sie abends nach der Arbeit besuchte, war sie gerade wieder zurückgekommen. Ich sah, dass sie sich was gespritzt hatte. Das allein hätte mich nicht mal mehr umgehauen. Aber als sie mir weismachen wollte, sie habe an der Gedächtniskirche nur Spaghetti essen wollen, als sie wieder log – knickten mir die Beine fast weg.
    Ich bat die Stationsschwester, bei Christiane bleiben zu dürfen. Das Bett wollte ich bezahlen. Sie sagte, das ginge leider auch nicht. Sie würde künftig schon aufpassen. Drei Tage später, als ich sie wieder nach der Arbeit besuchen wollte, kommt mir die Schwester entgegen und sagt: »Ihre Tochter ist nicht da.«
    »Ja, kann ich mal

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