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Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo

Titel: Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane F.
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nämlich unser letztes Besteck. Als ich Detlef mit Watte und Alkohol den Einstich abtupfte, merkte ich, dass da überhaupt kein Widerstand war. Ich hob den Arm hoch und der fiel total lasch wieder runter. Ich schüttelte Detlef, um ihn wach zu kriegen. Da rutschte er vom Sessel. Sein Gesicht war grau und die Lippen blau. Ich riss sein Hemd auf und versuchte seine Herzschläge zu fühlen. Aber ich spürte keine Herzschläge.
    Ich rannte in Unterhose und Hemd aus der Wohnung auf den Hausflur. Piko hinterher: »Mach keinen Quatsch.« Ich klingelte eine Rentnerin raus und sagte, ich müsse sofort die Polizei anrufen. Ich wählte den Notruf und sagte: »Mein Freund atmet nicht mehr. Der hat eine Überdosis genommen.« Ich gab dem Bullen die Adresse durch, da kam Piko reingerannt und schrie: »Hör auf, der ist schon wieder wach.« Ich sagte dem Bullen: »Nee danke, Sie brauchen nicht kommen. Falscher Alarm.« Und habe aufgelegt.
    Detlef lag auf dem Rücken und hatte die Augen wieder auf. Piko fragte, ob ich am Telefon was von Drogen gequatscht und die Adresse gegeben hätte. Ich sagte: »Nee, nicht so direkt. Ich glaube, die haben das gar nicht so schnell geschnallt.«
    Piko sagte: »Du bist eine dämliche, hysterische Kuh.« Er machte total hektisch an Detlef rum, ohrfeigte ihn und sagte, Detlef solle sofort aufstehen. Ich sagte, er solle Detlef erst mal lassen. Da schrie er: »Halt’s Maul, dämliche Kuh, und hol mir Wasser.« Als ich aus der Küche zurückkam, stand Detlef schon und Piko redete auf ihn ein. Ich war wahnsinnig glücklich, dass Detlef wieder stand, und wollte ihn umarmen. Detlef stieß mich regelrecht zurück. Piko schüttete ihm das Wasser ins Gesicht und sagte: »Komm, Junge, wir müssen jetzt gehen.«
    Detlef war noch immer ganz grau im Gesicht und konnte sich kaum auf den Beinen halten. Ich sagte ihm, er solle sich wieder hinlegen. Piko schrie wieder: »Halt’s Maul.« Und Detlef sagte: »Ich habe keine Zeit.« Piko stützte Detlef und sie gingen aus der Wohnung.
    Ich hatte überhaupt keinen Durchblick mehr. Ich zitterte wahnsinnig. Ich hatte ja auch echt einen Moment gedacht, Detlef sei tot. Ich legte mich aufs Bett und versuchte, mich auf einen Gruselroman zu konzentrieren. Dann klingelte es. Ich guckte durch den Spion. Da standen Bullen vor der Tür.
    Bei mir setzte es total aus. Statt durchs Fenster abzuhauen, machte ich die Tür auf. Ich sagte, dass ich angerufen hätte. Die Wohnung gehörte einem Schwulen, der verreist sei. Und da seien heute Morgen zwei jungsche Typen gekommen und hätten sich was in den Arm gespritzt und einer sei umgefallen und da hätte ich eben die Polizei angerufen.
    Die Bullen wollten dann wissen, wie die Typen hießen und wie sie aussahen, und ich habe irgendwas rumgelogen. Sie notierten meine Personalien. Es dauerte nicht lange, da kam eine Antwort und ein Bulle sagte: »Na, dann komm mal mit. Du bist als vermisst gemeldet.«
    Die Bullen waren ganz nett. Ich durfte noch zwei Gruselromane in meine Plastiktüte packen und Detlef einen Brief schreiben. Ich schrieb: »Lieber Detlef, Du kannst Dir schon denken, dass ich erst mal eingefahren bin. Weitere Nachricht kommt demnächst. Viele liebe Küsse, Deine Christane.« Ich klebte das mit Tesafilm an die Haustür.
    Sie brachten mich erst zum Revier Friedrichstraße und dann zu einer Sammelstelle. Da kam ich in eine Zelle, die war wie aus einem Wildwestfilm. Echt mit Gitterstäben statt einer Wand. Die Gittertür fiel dann auch mit dem gleichen Geräusch wie beim Sheriff von Dodge City ins Schloss, und das Schloss knarrte beim Zuschließen ebenso. Da stand ich, die Hände um zwei Gitterstäbe geklammert, und es war schon ganz schön deprimierend. Ich wollte nicht darüber nachdenken, wie deprimierend das war, legte mich auf die Pritsche und schlief ein, weil ich ziemlich breit war. Irgendwann brachten sie mir das Gefäß für die Urinprobe und einen Eimer zum Drunterstellen, damit ich nichts danebenpinkelte. Wer gerade vorbeikam, konnte sehen, wie ich pisste. Ich bekam den ganzen Tag weder etwas zu essen noch zu trinken.
    Gegen Abend kam meine Mutter. Sie ging einmal an den Gitterstäben vorbei, ohne mich richtig anzusehen. Sie musste wohl erst noch was mit den Bullen klarmachen. Dann wurde aufgeschlossen, meine Mutter sagte »Guten Abend« wie zu einer Fremden und hakte mich sehr fest unter. Draußen im Auto wartete Klaus, der Freund meiner Mutter. Meine Mutter schubste mich richtig hinten in das Auto und setzte sich neben

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