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Wir nannten ihn Galgenstrick

Titel: Wir nannten ihn Galgenstrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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»Als du hereinkamst, hatte es soeben sechs geschlagen.«
    »Ich bin seit einer Viertelstunde hier«, sagte die Frau.
    José ging zu ihrem Platz. Er schob sein riesiges aufgedunsenes Gesicht dicht zu ihr hin und zog mit dem Zeigefinger eines seiner Augenlider hoch.
    »Blas mir hier drauf«, sagte er.
    Die Frau warf den Kopf zurück. Sie war ernst, gelangweilt, weich, verschönt von einer Wolke aus Trauer und Müdigkeit.
    »Laß den Quatsch, José. Du weißt, daß ich seit über sechs Monaten nicht mehr trinke.«
    »Das kannst du jemand anderem flüstern«, sagte er, »mir nicht. Ich wette, ihr habt zu zweit mindestens einen Liter getrunken.«
    »Ich habe zwei Schluck mit einem Freund gekippt«, sagte die Frau.
    »Aha, das erklärt alles«, sagte José.
    »Das erklärt gar nichts«, sagte die Frau. »Ich bin seit einer Viertelstunde hier.«
    Der Mann zuckte mit den Achseln.
    »Schön, wenn du darauf bestehst, bist du seit einer Viertelstunde hier«, sagte er. »Letzten Endes kommt es niemand auf zehn Minuten mehr oder weniger an.«
    »Im Gegenteil, José«, sagte die Frau. Und streckte die Arme mit dem Ausdruck nachlässiger Hingabe auf der Glasoberfläche der Theke aus. Sie sagte: »Und nicht etwa, weil ich es so will: Es ist eine Viertelstunde vergangen, seit ich hier bin.« Wieder blickte sie auf die Uhr und berichtigte: »Was sage ich, es sind zwanzig Minuten.«
    »Ist gut, Königin«, sagte der Mann. »Ich würde dir einen ganzen Tag und die Nacht dazu schenken, um dich zufrieden zu sehen.«
    Während der ganzen Zeit hatte José sich hinter der Theke zu schaffen gemacht, Gegenstände umgeräumt, irgend etwas von einer Stelle zur anderen geschoben. Er war in seinem Element.
    »Ich möchte dich zufrieden sehen«, wiederholte er. Plötzlich hielt er inne und kehrte zu der Stelle zurück, wo die Frau saß: »Weißt du, daß ich dich sehr gern habe?«
    Die Frau blickte ihn kalt an.
    »Na sowas? Was für eine Entdeckung, José. Glaubst du, ich würde für eine Million Pesos bei dir bleiben?«
    »Das habe ich damit nicht sagen wollen, Königin«, sagte José. »Ich wette noch einmal, daß dir das Mittagessen schlecht bekommen ist.«
    »Ich sag’s nicht deshalb«, sagte die Frau. Und ihre Stimme klang weniger gleichgültig. »Keine Frau würde dein Gewicht aushallen, nicht für eine Million Pesos.«
    José wurde rot. Er drehte der Frau den Rücken zu und schüttelte den Staub von den Flaschen im Schrank. Er sprach, ohne das Gesicht zu wenden. »Heut bist du unerträglich, Königin. Ich glaube, es ist das beste, du ißt dein Beefsteak und gehst schlafen.«
    »Ich habe keinen Hunger«, sagte die Frau. Wieder blickte sie auf die Straße und sah die düsteren Fußgänger der verdämmernden Stadt. Einen Augenblick herrschte düstere Stille in dem Restaurant. Eine Ruhe, die nur Josés Hantieren in seinem Schrank unterbrach. Mit einemmal blickte die Frau nicht mehr auf die Straße und sprach mit leiser, zärtlicher, veränderter Stimme.
    »Ist es wahr, daß du mich magst, Pepillo?«
    »Es ist wahr«, sagte José trocken, ohne sie anzublicken.
    »Obwohl ich das zu dir gesagt habe?« sagte die Frau.
    »Was hast du zu mir gesagt?« sagte José, ohne seinen Tonfall zu verändern, noch immer ohne sie anzublicken.
    »Das mit der Million Pesos«, sagte die Frau.
    »Ich hatte es schon vergessen«, sagte José.
    »Du magst mich also?« sagte die Frau.
    »Ja«, sagte José.
    Es entstand eine Pause. Josés Gesicht war noch immer den Schränken zugewandt, noch immer blickte er die Frau nicht an. Sie stieß eine neue Rauchwolke aus, lehnte die Brust auf die Theke und sagte behutsam, pfiffig, sich auf die Zunge beißend, bevor sie es sagte, als spreche sie auf Zehnspitzen: »Auch wenn ich nicht mit dir schlafe?« Erst jetzt drehte José sich um und blickte sie an. »Ich mag dich so sehr, daß ich nicht mit dir schlafen würde«, sagte er. Dann ging er zu ihrem Platz hinüber. Die mächtigen Arme vor ihr auf die Theke gestützt, blickte er sie von vorne an, blickte ihr in die Augen, sagte: »Ich mag dich so gerne, daß ich jeden Abend den Mann töten würde, der mit dir geht.«
    Im ersten Augenblick schien die Frau verblüfft. Dann blickte sie den Mann aufmerksam an, mit einem schwankenden Ausdruck von Mitleid und Spott. Dann, aus der Fassung gebracht, bewahrte sie kurz Stillschweigen. Und dann lachte sie schallend heraus. »Du bist eifersüchtig, José. Ist ja toll, du bist eifersüchtig!« Wieder errötete José mit freimütiger, fast

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