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Wir nannten ihn Galgenstrick

Titel: Wir nannten ihn Galgenstrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Mann nicht anständig ist und es doch tut und die Frau fühlt, daß er sie so sehr anwidert, daß sie sterben könnte, und sie weiß, die einzige Möglichkeit, Schluß zu machen mit all dem, ist, ihm ein Messer in den Wanst zu jagen?«
    »Das ist einfach barbarisch«, sagte José. »Zum Glück gibt es keinen Mann, der tut, was du da erzählst.«
    »Schön«, sagte die Frau, nunmehr völlig verzweifelt. »Und wenn er es tut? Nimm an, er tut’s.«
    »Jedenfalls ist es nicht so schlimm«, sagte José. Noch immer putzte er die Theke, ohne sich von der Stelle zu bewegen und schenkte der Unterhaltung jetzt weniger Beachtung. Die Frau schlug mit den Fingerknöcheln auf das Glas. Wieder wurde sie aggressiv und heftig.
    »Du bist ein Urwaldmensch, José«, sagte sie. »Du begreifst überhaupt nichts.« Sie packte ihn gewalttätig am Ärmel. »Los, sag, daß die Frau ihn natürlich umbringen mußte.«
    »Ist gut«, sagte José einlenkend und versöhnlich. »Alles wird schon so sein, wie du sagst.«
    »Ist das nicht Selbstschutz?« sagte die Frau und zupfte ihn am Ärmel.
    José warf ihr jetzt einen warmen, freundlichen Blick zu.
    »Fast, fast«, sagte er. Und zwinkerte ihr mit einem Auge zu, mit einer Gebärde, die herzliches Verstehen und zugleich fragwürdige Komplizenschaft war. Doch die Frau blieb ernst; sie ließ ihn los.
    »Würdest du die Unwahrheit sagen, um eine Frau zu verteidigen, die das tut?« sagte sie.
    »Kommt drauf an«, sagte José.
    »Kommt worauf an?« sagte die Frau.
    »Kommt auf die Frau an«, sagte José.
    »Nimm an, es ist eine Frau, die du sehr gerne magst«, sagte die Frau. »Nicht, um mit ihr zusammen zu sein, weißt du? Sondern die du, wie du sagst, sehr gerne magst.«
    »Schön, wie du willst, Königin«, sagte José lasch und gelangweilt.
    Wieder entfernte er sich. Er hatte auf die Uhr gesehen. Er hatte gesehen, daß es gleich halb sieben war. Er hatte gedacht, daß sich in wenigen Minuten das Restaurant füllen würde, und vielleicht polierte er deshalb das Glas kräftiger und blickte dabei durch die Fensterscheibe auf die Straße. Die Frau blieb auf ihrem Stuhl sitzen, schweigsam, konzentriert, und schaute mit dem Ausdruck sinkender Traurigkeit den Bewegungen des Mannes zu. Sie sah ihn, wie eine allmählich verlöschende Lampe einen Mann sehen mochte. Plötzlich, ohne sichtliches Zeichen, sprach sie von neuem, mit salbungsvoller, sanftmütiger Stimme.
    »José!«
    Der Mann blickte sie mit trauriger, vager Zärtlichkeit an, wie eine Mutterkuh. Er blickte sie nicht an, um ihr zuzuhören, sondern nur um sie zu sehen, um zu wissen, daß sie da war, und wartete auf einen Blick, der nicht unbedingt beschirmend oder mitfühlend sein mußte. Nur einen spielerischen Blick. »Ich habe dir gesagt, daß ich morgen fortgehe, und du hast darauf nichts zu mir gesagt«, sagte die Frau.
    »Doch«, sagte José. »Du hast mir aber nicht gesagt, wohin du gehst.«
    »Irgendwohin«, sagte die Frau. »Wo es keine Männer gibt, die mit einem ins Bett gehen wollen.«
    Wieder lächelte José.
    »Gehst du wirklich?« fragte er, als werde ihm plötzlich das Leben bewußt, und veränderte jäh seinen Gesichtsausdruck.
    »Das hängt von dir ab«, sagte die Frau. »Wenn du mir genau sagen kannst, zu welcher Zeit ich gekommen bin, gehe ich morgen fort und mische mich nie mehr in diese Dinge. Einverstanden?«
    José bejahte mit dem Kopf, lächelnd und positiv. Die Frau beugte sich zu ihm hinüber.
    »Wenn ich eines Tages wieder hierher komme, werde ich eifersüchtig sein, wenn ich, zu dieser Stunde und auf diesem Stuhl, eine andere Frau mit dir reden sehe.«
    »Wenn du wiederkommst, mußt du mir was mitbringen«, sagte José.
    »Ich verspreche dir, daß ich überall das Aufziehbärchen suche, ums dir zu bringen«, sagte die Frau.
    José lächelte und fuhr mit dem Lappen durch die Luft, die ihn von der Frau trennte, als reinige er eine unsichtbare Scheibe. Auch die Frau lächelte, nun mit einem Anflug von Herzlichkeit und Koketterie. Dann schob sich der Mann fort und rieb die Glasplatte am äußersten Ende der Theke ab. »Was?« sagte José, ohne sie anzublicken.
    »Du wirst doch jedem, der dich fragt, zu welcher Zeit ich gekommen bin, sagen, um Viertel vor sechs?« sagte die Frau. »Wozu?« sagte José und blickte sie noch immer nicht an, als habe er sie eben erst gehört.
    »Spielt keine Rolle«, sagte die Frau. »Hauptsache, du tust es.« Jetzt sah José den ersten Stammgast, der durch die Schwingtür hereinkam und auf einen

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