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Wir nannten ihn Galgenstrick

Titel: Wir nannten ihn Galgenstrick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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dieses Papier der Flamme genähert, während ich las: »Mir wird« - und das Papierchen weiter zwischen Daumen und Zeigefinger hielt und drehte, wahrend es verbrannte und ich seinen Inhalt gelesen hätte - ... »heiß«, bevor das Papierchen ganz verbrannte, zerknittert, geschrumpft zu Boden fiel und zu einem winzigen Häufchen Asche zerfiel: »So ist es besser«, sagte ich. »Manchmal habe ich Angst, dich so zu sehen. Neben dem Leuchter zitternd.«
    Wir sahen uns seit mehreren Jahren. Bisweilen, wenn wir zusammen waren, ließ draußen jemand ein Löffelchen fallen und wir erwachten. Nach und nach hatten wir begriffen, daß unsere Freundschaft von den Dingen, von den einfachsten Ereignissen abhing. Unsere Begegnungen endeten immer so, mit dem Fall eines Löffelchens im Morgengrauen.
    Jetzt blickte sie mich neben dem Leuchter an. Ich erinnerte mich, daß sie mich auch früher so angeblickt hatte, in jenem fernen Traum, in dem ich meinen Stuhl auf den Hinterbeinen drehte und vor einer Unbekannten mit Aschenaugen saß. In diesem Traum war es gewesen, daß ich sie zum ersten Mal fragte: »Wer sind Sie?« Und sie sagte zu mir: »Ich erinnere mich nicht daran.« Und ich sagte zu ihr: »Ich glaube aber, wir haben uns schon früher gesehen.« Und sie sagte gleichgültig: »Ich glaube, daß ich einmal von Ihnen, von diesem Zimmer geträumt habe.« Und ich sagte zu ihr: »Sehr richtig. Ich beginne, mich daran zu erinnern.« Und sie sagte: »Wie merkwürdig. Wir sind uns bestimmt schon in anderen Träumen begegnet.«
    Sie zog zweimal an ihrer Zigarette. Ich stand noch vor dem Leuchter, als ich sie mit einemmal anblickte. Ich blickte sie von oben bis unten an, sie war noch immer kupferfarben; doch nicht mehr aus hartem, kalten Metall, sondern aus Messing, weich, schmiedefähig. »Ich möchte dich berühren«, sagte ich wieder. Und sie sagte: »Du würdest alles zunichte machen.« Ich sagte: »Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Wir brauchen nur das Kissen umzudrehen, um uns wieder zu begegnen.« Ich streckte die Hand über dem Leuchter aus. Sie regte sich nicht. »Du würdest alles zunichte machen«, sagte sie wieder, bevor ich sie berühren konnte. »Vielleicht würden wir, wenn du dich hinter dem Leuchter umdrehst, irgendwo in der Welt erschreckt aus dem Schlaf auffahren.« Aber ich beharrte wieder: »Es spielt keine Rolle.« Und sie sagte: »Wenn wir das Kopfkissen umdrehten, würden wir uns wieder begegnen. Aber du, wenn du erwachst, wirst es vergessen haben.« Ich begann mich zur Ecke hin zu bewegen. Sie blieb stehen und wärmte sich die Hände über der Flamme. Ich war noch nicht bei meinem Stuhl, als ich sie hinter meinem Rücken sagen hörte: »Wenn ich um Mitternacht aufwache, drehe ich mich im Bett um, bis mir das Leintuch die Knie wund scheuert, während ich bis zum Tagesanbruch aufsage: >Augen eines blauen Hundes<.«
    Dann verharrte ich mit dem Gesicht gegen die Wand schon«, sagte ich, ohne sie anzublicken. »Als es zwei Uhr schlug, war ich schon wach, und das ist eine ganze Weile her.« Ich ging auf die Tür zu. Als ich die Klinke anfaßte, hörte ich von neuem ihre gleichbleibende, unveränderliche Stimme: »Mach diese Tür nicht auf«, sagte sie. »Der Gang ist voll von schwierigen Träumen.« Und ich sagte zu ihr: »Woher weißt du das?« Und sie sagte zu mir: »Weil ich vor einem Augenblick dort war und zurückkehren mußte, als ich entdeckte, daß ich auf dem Herzen schlief.« Ich hielt die Tür halb offen. Ich bewegte den Türflügel ein wenig, ein kühles sanftes Windchen brachte mir frischen Geruch von Gartenerde, von feuchtem Feld. Wieder sprach sie. Ich machte kehrt, bewegte noch den in geräuschlosen Angeln gleitenden Flügel und sagte: »Ich glaube, dort draußen ist kein Gang. Ich spüre den Geruch von freiem Feld.« Und sie, schon etwas weiter weg, sagte: »Ich kenne das besser als du. Es ist nämlich so, daß da draußen eine Frau vom Feld träumt.« Sie verschränkte die Arme über der Flamme. Und sprach weiter: »Es ist die Frau, die sich immer ein Haus auf dem Lande gewünscht hat und nie aus der Stadt herausgekommen ist.« Ich erinnerte mich, die Frau in einem früheren Traum gesehen zu haben, wußte aber schon bei halboffener Tür, daß innerhalb einer halben Stunde das Frühstück herunterkommen würde. Und ich sagte: »Jedenfalls muß ich hier herauskommen, um aufzuwachen.«
    Draußen wehte der Wind einen Augenblick, blieb dann still, und man hörte den Atem eines Schläfers, der sich gerade

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