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Wir sehen uns in Paris

Wir sehen uns in Paris

Titel: Wir sehen uns in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kolloch Elisabeth Zöller
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versteckt hatte.
    »Ja, Mama, alles dabei.«
    Während meine Mutter mich stürmisch umarmte und meinen Kopf mit zahllosen Küssen bedeckte, starrte Juli gelangweilt Kaugummi kauend zur hohen Glaskuppel des Kölner Hauptbahnhofs empor. Ich gestand es mir ungern ein, aber in diesem Moment beneidete ich meine Schwester ein bisschen um ihre Coolness.
    In meinem Magen schlug das Brötchen, das ich zum Frühstück runtergezwungen hatte, unangenehme Purzelbäume. Ja, ich war aufgeregt. Sehr sogar. Ich bin nämlich eigentlich nicht der Typ für solche Abenteuer, ich habe es gern geordnet, ganz im Gegensatz zu meiner Schwester. Als ich sie Anfang der Woche, einen Tag nach unserer Familienkrisensitzung, nach ihren Plänen für diese Interrailtour befragte, lautete ihre niederschmetternde Antwort nur: »Mensch, Lena, das lassen wir auf uns zukommen.«
    Argh! Die Übersetzung dazu: keine Ahnung. Kein Plan. Keine einzige Unterkunft gebucht. Nicht einmal einen Reiseführer hatte Juli organisiert. Und mir blieben nur fünf Tage, um das in Ordnung zu bringen und mir die Apps möglicher Reiseziele auf mein Handy zu laden. Immerhin konnten wir uns auf Station eins unserer Route einigen: Amsterdam. Und ich fand nach ewiger Sucherei (ganz Amsterdam schien ausgebucht zu sein) ein Hostel im Internet, wo ich uns zwei Betten reserviert hatte.
    Mit einem dröhnenden Summen bretterte der ICE in den Bahnhof und kam mit quietschenden Bremsen vor uns zum Stehen, worauf um uns herum das große Gedrängel startete. Ich entwand mich der Umarmung meiner Mutter und hievte mir meinen vollgepackten Rucksack auf den Rücken. Meinen kleinen Rucksack mit wichtigem Schnickschnack hielt ich in der Hand, weil ich nicht wusste, wohin damit, und er schlenkerte mir gegen das Bein, als ich mich in die Schlange vor der Zugtür einreihte. Auch Juli wurde von unserer Mutter zum Abschied fast erdrückt, dann kam endlich Bewegung in die Warteschlange, und ich stieg in den Zug ein, wobei ich mir verbot, mich noch einmal umzudrehen, sonst hätte ich womöglich in letzter Sekunde doch noch gekniffen und die Reise abgeblasen!
    Wagen 12, Plätze 55 und 57, betete ich mir im Kopf immer wieder vor. Wagen 12 war schon mal richtig, das hatte ich vor dem Einsteigen schnell noch auf der digitalen Anzeige neben der Tür kontrolliert. Jetzt mussten wir nur noch die reservierten Sitzplätze finden.
    Millimeterweise schoben sich die Reisenden in den Waggon, und kaum hatten wir die Abteiltür erreicht, schlug mir schon die klimatisierte Luft mit ihrem plastikartigen Geruch entgegen. Die Schlange stockte wieder, denn direkt vor mir versuchte eine ältere Dame, ihren Rollkoffer auf die Gepäckablage zu wuchten. Sie schaffte es gerade mal bis zur Höhe meines Knies, das sie schwungvoll rammte. Ich schnappte hörbar nach Luft, aber sie schien den Zusammenstoß gar nicht bemerkt zu haben.
    »Nun mach schon«, maulte Juli hinter mir. Keine Ahnung, ob sie damit mich oder die Kofferoma meinte.
    Endlich war der Trolley mit tatkräftiger Unterstützung eines langhaarigen Lehramtsstudenten – zumindest sah er danach aus – auf der Ablage verstaut und ich konnte mich zu unseren Plätzen weiterschieben. 51, 53, da: 55 und 57. Ein Vierer sitzplatz und die beiden gegenüberliegenden Sitze waren zum Glück weder besetzt noch reserviert.
    Ich kämpfte mich aus den Riemen meines Rucksacks und brach mir fast das Kreuz bei dem Versuch, es der alten Dame gleichzutun und das Teil nach oben zu bugsieren. Wo waren die langhaarigen Lehramtsstudenten dieser Welt, wenn man sie am meisten brauchte? Juli machte sich erst gar nicht die Mühe und quetschte ihren Rucksack einfach unter den Tisch. Na prima, und wo sollte ich jetzt meine Füße hinstellen?
    Juli löste das Problem auf ihre eigene lässige Art. Sie legte ihre Füße, die wie immer in Schuhen steckten, bei deren bloßem Anblick mir die Zehen wehtaten, einfach auf den gegenüberliegenden Sitz.
    »Hast du eigentlich noch andere Schuhe dabei?«, erkundigte ich mich mit einem abschätzigen Blick auf ihre mindestens zehn Zentimeter hohen High Heels, während ich mich auf den Platz neben ihr fallen ließ. Natürlich hatte meine Schwester sich, ohne zu fragen, sofort den Fensterplatz gesichert.
    »Klar, fünf Paar.« Sie deutete auf ihr Gepäck am Boden, auf dem ich gerade vergeblich versuchte, meine Beine zu falten. Ich fragte mich, ob auch nur ein einziges davon mit weniger hohen Absätzen ausgestattet war, als der Zug sich mit einem leichten Beben in

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