Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir sehen uns in Paris

Wir sehen uns in Paris

Titel: Wir sehen uns in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kolloch Elisabeth Zöller
Vom Netzwerk:
durch einen großen hohen Raum. Sie bleibt an der Decke hängen, nein, sie ist einfach oben, schwebt über lauter kleinen blauen und grünen Wesen, die da unten herumhuschen. Es wirkt alles sehr friedlich.
    Auf einmal wird es aufregend in einer Ecke des Raums. Irgendetwas muss passiert sein. Alle beschleunigen ihren Schritt, reichen Dinge hin und her. Zurufe und Flüstern. »Schneller«, hört sie. Sie fühlt, wie jemand auf ihre Brust drückt. Es ist ein Summen im Raum, Stimmen raunen, die Farben verschwimmen …
    Dann beugt sich jemand über sie: »Isabella? Hallo, Isabella, bist du wieder wach?«
    Isabella nickt. Sie kann nicht sprechen. Sie will nach ihrem Mund tasten, aber ihr Arm hängt fest.
    Das Gesicht des Mannes, der sich gerade noch über sie gebeugt hat, entfernt sich wieder.
    Jetzt ist ein anderes Gesicht da, das einer Frau. Sie sagt: »Ich bin deine Ärztin. Ich glaube, wir können jetzt sagen: Du hast großes Glück gehabt. Die Wunde sah böse aus. Doch wir haben sie versorgt und dir außerdem eine Tetanusimpfung gegeben. Und du bekommst Medikamente, die dir helfen, gesund zu werden.« Sie deutet auf eine Flasche, die an einem Chromständer hoch über Isabella hängt.
    Die Ärztin spricht weiter: »Bald wirst du auf deine Station gebracht. Es ist die Kinderstation. Aber dort sind natürlich auch Ältere, nicht nur kleine Kinder. Da kann auch dein Bruder wieder bei dir sein.« Und sie streicht ihr sanft über den Arm.
    Isabella lächelt. Sie hat keine Schmerzen. Schon schläft sie wieder ein.
    Sie weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, als sie einen Pfleger neben sich hantieren hört. Er steht an ihrem Bett und wechselt den Tropf.
    »Gut geschlafen?«, fragt er lächelnd, als er sieht, dass Isabella wach wird. »Du bist jetzt wieder in deinem Zimmer auf der Station. Den Umzug hast du komplett verschlafen.« Über ihrem Bett schaltet er eine schwache Beleuchtung ein.
    Da fällt ihr ein, dass die Ärztin vorhin von ihrem Bruder gesprochen hat. Im ersten Moment hat Isabella das nicht verstanden. Doch jetzt weiß sie, wen die Frau gemeint hat. John ist also da und wartet. Plötzlich hat sie Herzklopfen.
    In diesem Augenblick kommt eine Schwester ans Bett und flüstert: »Deine Mutter hat sich gemeldet, sie ist mit deiner Freundin auf dem Weg zu dir. Und dein Bruder John wartet draußen. Möchtest du, dass er reinkommt?«
    Isabella nickt. »Ja«, flüstert sie und muss gleichzeitig lächeln. Ihr Bruder . Da steckt er schon seinen verstrubbelten Kopf durch die Tür. Leise zieht er einen Stuhl ans Bett und setzt sich zu ihr.
    John wirkt ein bisschen verlegen. »Na, alles klar?«, fragt er schließlich.
    Isabella grinst ihn schief an. »Sicher! Hast du schon nachgeschaut, wann der nächste Zug nach Paris geht?«
    John lacht kurz auf. »Ne, aber vielleicht bringen dich deine Mutter und Hannah ja persönlich hin. Habe vorhin mit ihnen telefoniert. Die sollten bald da sein.« Dann wird er wieder ernster. »Hör zu, ich kann nicht mehr so lange bleiben. Muss weiter – steht alles in dem Brief.« Er zieht ein Stück Papier aus der Tasche und legt es nach kurzem Zögern auf das Schränkchen neben Isabellas Bett. Dann fährt er fort: »Ich wollt nur sagen … war ne schöne Fahrt mit dir. Du hast mehr drauf, als ich am Anfang vermutet hatte.«
    Isabella muss wieder lächeln, aber sie merkt auch, wie sie ein wenig rot wird. »Ach ja? Das kann ich von dir auch behaupten. Aber irgendwie habe ich mich auch selbst überrascht. Ich hätte mir nie ausgemalt, dass auf dieser Reise so viel passieren würde …«
    John betrachtet sie aufmerksam. »Was ist jetzt mit dir und deiner Schwester? Und mit Paris?«
    Isabella winkt ab. »Nach Paris schaffe ich es bestimmt bald mal wieder. Aber ich hoffe, dass meinen Eltern durch die Aktion endlich mitbekommen haben, dass sie mit uns nicht einfach machen können, was sie wollen. Naja, und irgendwie ist mir jetzt auch klar, dass ich es mit meiner Familie gar nicht so schlecht getroffen habe.«
    Sie schaut John etwas verlegen an und der blickt schnell in eine andere Richtung. Ein kleiner Schatten scheint über sein Gesicht zu huschen. Schnell streckt Isabella die Hand nach John aus.
    »Danke«, murmelt sie leise und drückt seine Finger.
    Er schaut sie an. Sie schaut ihn an, weicht aus zur Seite.
    Dann reckt sie sich hoch, und fast im selben Moment beugt John sich ein Stück hinunter. Ihre Gesichter stehen voreinander. Sie sehen sich in die Augen, und alles andere weicht zurück.

Weitere Kostenlose Bücher