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Wir sehen uns in Paris

Wir sehen uns in Paris

Titel: Wir sehen uns in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kolloch Elisabeth Zöller
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somit zwei Jahre älter ist als ich. Dabei benimmt sie sich meistens so, als ob es umgekehrt wäre! Hektisch wischte ich mir die Tränenspuren von den Wangen und machte eine gelangweilte Miene.
    »Das geht dich gar nichts an, Miss Supererwachsen. Immerhin spielst du noch mit Barbies.«
    »Ich spiele nicht mit ihnen, ich style sie«, ließ sich Juli zu einer Verteidigung hinreißen. Ha, Punkt für mich!
    »Wie auch immer.« Juli wuschelte mit spitzen Fingern den ultrakurzen Pony ihres ultrakurzen Haarschnitts in Form. Pixie hieß diese Frisur, wie Juli jedem erklärte, der weniger Ahnung von Mode hatte als sie selbst – also so ziemlich jeder. »Unsere Eltern wollen mit dir reden.«
    Ups. Warum das denn? Hatte ich etwas ausgefressen? Wohl kaum. Ich hatte den ganzen Tag tiefdeprimiert auf dem Bett gelegen, da gab es kaum Gelegenheiten, irgendetwas anzustellen. Und dann Julis Tonfall, als hätte sie in eine extrasaure Zitrone gebissen. Was war bloß los?
    »Was gibt’s denn?«, fragte ich betont gelassen.
    Doch anstelle einer Antwort machte Juli auf dem Absatz ihrer hochhackigen Sandaletten kehrt (trotz Schuhverbots zog sie ihre Parkettkiller auch im Haus nie aus) und stürmte aus meinem Zimmer. Etwas unwillig, aber zumindest auch ein kleines bisschen neugierig folgte ich ihr, nachdem ich mit einem letzten wehmütigen Seufzen meinen iPod ausgeschaltet hatte.
    Unsere Eltern saßen bereits an dem großen, runden Tisch, jeder eine Tasse Tee vor sich (wie konnten sie bei dieser Sommerhitze Tee trinken?), als ich in die Küche kam. Nur Juli lehnte mit dem Po, der von einem Häkel-Minikleid mehr schlecht als recht bedeckt wurde, gegen die Spüle, die Arme vor der Brust verschränkt. Unruhig wippte sie mit der Fußspitze auf und ab, was ein nervtötendes Klack-Klack auf dem Holzboden verursachte. Sie sah angespannt aus und trotzdem perfekt.
    Wieder einmal fiel mir auf, dass die Gene in unserer Familie extrem ungleich verteilt worden sind. Und leider hat meine äl tere Schwester, zumindest optisch, all die guten abbekommen. Ihre dunkelbraunen, kajalumrandeten Augen wirkten riesig in ihrem schmalen Feengesicht und wurden nur vom lipglossigen Kussmund an Vollkommenheit überboten. Juli sieht fast aus wie eine exakte Kopie der Schauspielerin Emma Watson, die in Harry Potter dessen Freundin Hermine spielt. Wobei zwischen der Schauspielerin und ihrer Filmfigur meines Erachtens Welten liegen: Emma Watson ist im wahren Leben zum Niederknien hübsch – und Hermine gerade mal langweiliger Durchschnitt.
    Und genau das bin ich auch: der Hermine-Granger-Typ (außer dass ich nicht so ein Streber bin). Nicht total daneben, sondern in jeder Hinsicht Durchschnitt. Durchschnittlich groß, durchschnittlich gebaut, mittellange, mittelblonde Haare und mittelbraune Augen. Mittelmäßiger geht es eigentlich nicht.
    »Ähm, also«, räusperte sich mein Vater und stierte in seine Tasse, als könnte er im Teesatz lesen. Fahrig fuhr er sich mit der Hand über den Kopf. Unsere straßenköterblonden Haare – die Juli natürlich mit hellblonden Strähnen veredelt – haben wir von ihm geerbt. Was man allerdings nicht mehr sehen kann, weil er inzwischen vollkommen kahl ist.
    »Ähm, also«, wiederholte mein Vater und strich sich nun über seinen imaginären Bart.
    Was war hier bloß los? So langsam kam mir die ganze Sache sehr komisch vor.
    »Folgendes ist passiert«, mischte sich meine Mutter, prag matisch wie immer, ein und tätschelte meinem Vater die Hand. »Julia hat gerade einen Anruf von Laura erhalten. Die Arme liegt im Krankenhaus. Sie ist auf der Treppe ausgerutscht und hat sich einen Bänderriss zugezogen.«
    Kein Wunder, dachte ich gehässig, bei den mörderisch hohen High Heels, die auch Julis beste Freundin ständig an den Hacken hatte.
    Ich fürchte, manchmal habe ich eine etwas lange Leitung, sonst hätte ich in diesem Moment garantiert die Flucht ergriffen, aber mir war immer noch nicht klar, was Lauras Bänderriss mit mir zu tun haben sollte.
    »Jedenfalls«, fuhr meine Mutter unbeirrt von meinem Schweigen fort, »wird Laura nächste Woche auf keinen Fall mit Julia auf Interrailtour gehen können.«
    Aha. Darum ging es also: um Julis seit Monaten geplante Reise, die unsere Eltern ihr zum Abi geschenkt hatten. Vier Wochen mit dem Zug quer durch Europa. Dieser Reise fieberte ich mindestens ebenso entgegen wie Juli selbst. Denn für mich bedeutete sie vor allem eins: vier Wochen Juli-frei! Vier Wochen ohne meine nervige große Schwester,

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