Wir sind alle Islaender
fachlichen Gesichtspunkten ausgewählten, »unpolitischen« Aufsichtsrat der Landsbanki der Öffentlichkeit präsentierte, war dessen Vizevorsitzender Kjartan Gunnarsson, Generalsekretär und graue Eminenz der Unabhängigkeitspartei.
Die Progressive Partei wollte daraufhin natürlich, dass ihre »Gesprächspartner« ebenfalls mit am Tisch säßen und auf jeden Fall beim Verkauf von Bunadarbankinn, die der Partei sowieso schon nahestand, bedacht würden. Man verhandelte mit der sogenannten S-Gruppe, die unter anderem aus Firmen bestand, die auf die alte genossenschaftliche Bewegung in der Landwirtschaft zurückgingen; an der Spitze dieser Gruppe befanden sich Finnur Ingolfsson, früher Zentralbankdirektor und Minister für die Progressiven, sowie Elton-John-Fan Olafur Olafsson, der uns schon durch seine Leidenschaft für Hubschrauber bekannt ist. Im Zuge der Privatisierungsdebatte
hatte man immer gesagt, man erhoffe sich die Teilnahme ausländischer Investoren, sowohl aus finanziellen wie fachlichen Gründen, und so brachte die S-Gruppe bei den Verhandlungen die französische Großbank Société Générale ins Spiel. Daraus wurde jedoch nichts, und fraglich ist, ob die Franzosen je überhaupt interessiert waren. Stattdessen wies man darauf hin, dass eine deutsche Bank Mitglied der Eigentümergruppe werden wolle. Und zwar die kleine Privatbank Hauck und Aufhäuser, die auch den meisten deutschen Lesern wohl unbekannt sein dürfte. Ihre Rolle in der S-Gruppe ist eher obskur; fest steht nur, dass sie zwei Jahre später ihren Anteil wieder an andere Mitglieder der S-Gruppe verkaufte.
Man suchte sich die potentiellen Käufer bei der Privatisierung der Banken nach verschiedenen Kriterien aus. Es ging natürlich um finanzielle Potenz, und die konnte man ja bei Samson nicht bezweifeln. Bei der S-Gruppe waren viele eher skeptisch, und nicht zuletzt deswegen brachten ihre Verantwortlichen eine ausländische Bank als Miteigentümer ins Spiel. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass die Gruppe, die knapp 46 Prozent der Bunadarbank-Aktien für 11,8 Milliarden Kronen übernahm, einen guten Teil des Kaufpreises geliehen bekam – und zwar unter anderem von der Landsbanki, während sie noch unter öffentlicher Aufsicht war.
Die Privatisierung war damit Anfang 2003 abgeschlossen. Zurück blieb bei Teilen der Bevölkerung das Gefühl, die Regierungsparteien hätten die Banken unter sich aufgeteilt. Schon seit der Souveränität 1918 gab es in Island immer eine ungesunde Verflechtung von Wirtschaft und Politik. Als die meisten Betriebe, darunter auch die Banken, noch in Staatsbesitz waren, war die politische Dominanz schlimmer, aber auch durchschaubarer.
Nach dem Bankverkauf gab es diese Verflechtung weiterhin, aber bar jeder parlamentarischen Kontrolle.
Was in den nächsten Jahren passierte, wissen viele, auch im Ausland. Die isländische Wirtschaft wuchs unglaublich schnell, 2005 stieg zum Beispiel das BIP (Bruttoinlandsprodukt) um 6,1 Prozent, 2007 immer noch um knapp fünf Prozent (zum Vergleich Deutschland 2007: 2,5 Prozent). Isländische Firmen investierten überproportional viel im Ausland, besonders in Dänemark und England, und viele meinten, das Wachstum wäre der gelungenen Privatisierung der Banken zu verdanken. So die Unabhängigkeitspartei auf ihrer Tagung im Jahre 2007: »Die Privatisierung der Banken hat uns gezeigt, welche Kräfte freigesetzt werden, sobald Betriebe in Privatbesitz kommen. Ihre Entwicklungsarbeit hat ihnen gute Resultate im In- und Ausland gesichert.« Man rief also nach mehr Privatisierung im öffentlichen Sektor.
Der Wert der Banken stieg unglaublich schnell: Im Sommer 2005 war die Landsbanki an der isländischen Börse einhundertsiebzig Milliarden Kronen wert. Und so ging es weiter, noch im März 2008 lag der Börsenkurs von Kaupthing (aus der Zusammenlegung von Bunadarbankinn und Kaupthing gleich nach der Privatisierung entstanden) bei fünfhundertdreiundfünfzig Milliarden Kronen. Im Jahr davor war Kaupthing die erste isländische Firma gewesen, die auf der Forbes-Liste der achthundert größten Firmen der Welt stand. Die ursprünglichen Investitionen der Käufer hatten sich innerhalb von drei Jahren verzehnfacht. Inzwischen betrieben die isländischen Banken auch Niederlassungen in anderen
Ländern. Kaupthing kaufte 2005 die traditionsreiche englische Bank Singer & Friedlander, und Landsbanki machte die Heritage Bank zu ihrer Filiale in Großbritannien. Man eröffnete Online-Konten im
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