Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir sind verbannt (German Edition)

Wir sind verbannt (German Edition)

Titel: Wir sind verbannt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
Vom Netzwerk:
nicht …«
    »Komm schon«, erwiderte er. »Denk an die alten Zeiten.«
    Hätte ich ihm noch weiter widersprochen, wäre das Lächeln sicher wieder aus seinem Gesicht verschwunden. Also hielt ich meine Breischale fest und schloss die Augen. Es gab ein Schraubgeräusch, dann ein Klirren und anschließend landete etwas sanft auf meinem Haferbrei.
    »Okay«, sagte Leo.
    Ich schaute nach unten, und mir blieb die Luft weg.
    Er hatte einen dicken Klecks Blaubeermarmelade mitten in der Schale platziert. Ich erkannte die zierliche Handschrift seiner Mutter auf dem Glas, das er in der Hand hielt.
    »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag«, sagte er.
    Ich hatte schon mindestens einen Monat lang keine Marmelade mehr gegessen. Der fruchtig-süße Geruch ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Und gleichzeitig bekam ich feuchte Augen.
    Als wir noch klein waren, gingen Leos und meine Familie regelmäßig zusammen Blaubeeren pflücken – ich hielt im Gebüsch nach Kaninchen Ausschau, während Leo auf den Felsen Sprünge und Drehungen übte. Jeden August schenkte seine Mom meinen Eltern einige Gläser selbstgemachte Marmelade, die Drew und ich immer bis spätestens Ende September verputzt hatten.
    Damals, bevor das Virus sie mir alle wegnahm. Mom, in deren Hirn es sich fraß, Drew, den es dazu brachte, sich heimlich aufs Festland zu stehlen, um Hilfe zu suchen. Und Dad, der von einem Trupp Inselbewohner erschlagen wurde, die das Krankenhaus und alle infizierten Patienten darin in Brand stecken wollten.
    »Ich konnte es kaum glauben«, sagte Leo. »Unsere Speisekammer war das reinste Chaos, aber dieses eine Glas stand hinter einer Kiste in der Ecke, als hätte es da auf mich gewartet.«
    »Du solltest das haben«, sagte ich und hielt ihm die Schale hin. »Die Marmelade ist von deiner Mutter.«
    Und nun würde sie keine mehr kochen können, nie wieder. Das Virus hatte auch Leos Eltern getötet.
    Er schüttelte den Kopf und stupste die Schale wieder in meine Richtung, sein Lächeln geriet allerdings ins Schwanken.
    »Sie hätte bestimmt gewollt, dass ich teile«, antwortete er.
    Er hatte kaum etwas gesagt, seit er von ihrem Haus zurückgekommen war, und ich hatte ihn nicht gedrängt. Bis jetzt hatte er uns auch nicht mehr als eine grobe Zusammenfassung davon gegeben, wie er zu Fuß und per Anhalter von seiner Tanzschule in New York hierhergelangt war. Das meiste, was ich über die Geschehnisse auf dem Festland wusste, hatte ich von Mark, dem zweiten Inselbewohner, der drüben festgesessen hatte und zusammen mit Leo zurückgekehrt war. Aber was konnte ich schon anderes tun, außer ihm Zeit zu lassen?
    Während ich noch darüber nachdachte, streckte Gav den Kopf zur Tür herein. »Du hast heute Geburtstag?«, fragte er. »Das hättest du mir sagen müssen.«
    »Ich wollte es nicht so an die große Glocke hängen«, erwiderte ich und trug mein Frühstück zum Esstisch. »Siebzehn ist ja auch keine besondere Zahl, oder?«
    »Ich finde siebzehn ziemlich toll«, antwortete Gav. »Aber vermutlich bin ich da ein wenig voreingenommen.«
    »Und ich hab nicht daran gedacht!«, rief Meredith. »Ich muss dir sofort eine Karte basteln!«
    »Das ist nicht nötig«, sagte ich, doch sie schlang schon ihren restlichen Haferbrei herunter und sauste ins Wohnzimmer, wo Bastelpapier und Buntstifte auf dem Couchtisch verstreut lagen.
    »Tess, Frühstück ist fertig«, verkündete Leo und kam nach mir ins Esszimmer. Ich setzte mich neben Gav, der mir sanft über das Bein strich.
    »Ich überleg mir was«, sagte er.
    »Ehrlich«, erwiderte ich, »das ist nicht …«
    »Ich weiß, ich weiß. Ich mach’s aber trotzdem.« Er wandte sich an Leo. »Und, gibt’s noch mehr Geheimnisse über Kae, die ich kennen sollte?«
    Leo setzte einen nachdenklichen Blick auf, als würde er die Frage ernst nehmen, und fing dann an zu grinsen. »Ich sag jetzt lieber nichts mehr, sonst hetzt sie noch diese Teufelsfrettchen auf mich.«
    In meinen Ohren klang der Witz ein bisschen gequält, aber Meredith wirbelte fröhlich herum. »Mowat und Fossey tun doch keiner Fliege was zuleide!«, rief sie, wir anderen fingen an zu lachen, und das Eis war gebrochen. Doch als Tessa ins Zimmer kam und alle anfingen zu essen, standen mir auf einmal die Tränen in den Augen.
    »Egal, wie beschäftigt wir sind«, hatte Mom immer gesagt, »wir dürfen nie vergessen, dass die Familie wichtiger ist als alles andere.« Wenn Drew und ich wochentags Geburtstag hatten, richteten sie und Dad es

Weitere Kostenlose Bücher