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Wir Tiere: Roman (German Edition)

Wir Tiere: Roman (German Edition)

Titel: Wir Tiere: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Torres
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immer wieder derselbe drei Minuten lange Film lief. Der Film zeigte Männer in Fässern, die in die Kamera lächelten, winkten und den Daumen hochreckten, während sie sich den Fällen näherten und plötzlich über der Kante verschwanden. » Einige dieser wagemutigen Burschen überlebten wie durch ein Wunder« , dröhnte der Sprecher, » doch weit mehr fanden ein tragisches Ende .«
    Stunden vergingen. Zweimal tauchte ein Mann auf, steckte den Kopf in mein Kino und sah mich fragend an. Beim dritten Mal kam er herein, setzte sich neben mich und fragte: »Wie oft willst du dir den Quatsch noch anschauen?«
    Ich zuckte mit den Schultern. Der Mann trug eine Cordhose, und ich wäre gern mit dem Fingernagel über seinen Oberschenkel gefahren.
    »Versteckst du dich?«
    »Ich sitze nur hier«, antwortete ich.
    »Na ja, schon gut«, sagte er. »Bist wohl noch ein wenig zu jung dafür. Was ist mit deinen Eltern?«
    »Mein Vater kommt mich holen. Wird gleich hier sein.«
    Der Mann stand auf und sah auf mich herab. Der Film landete auf seinem Hemd und schnitt ihn an der Hüfte ab, er sah aus wie ein Riese, der sich aus den Niagara-Fällen erhob.
    »Sag deinem Vater, er soll mal bei mir am Kartenschalter vorbeischauen, wenn er kommt. Ich möchte ihn kennenlernen.«
    Als er ging, stellte ich mich an seine Stelle, und der Wasserfall fiel mir über Gesicht und Arme. Ich ging näher zur Wand, bis er mich verschluckte, und tanzte. Ich tat so, als ob ich ein Meerjungenprinz wäre, und es war meine Aufgabe, all die Männer in den Fässern aufzufangen und sie vor dem Tode zu bewahren, doch wenn ich die Hände zusammenlegte und sie ausstreckte, glitten sie mir immer durch die Finger. Wenn sie über den Rand verschwanden, tanzte ich einen besonderen Unterwassertanz, damit ihre Seelen gen Himmel fahren konnten. Nach einer Weile hörte ich auf, sie retten zu wollen, so sehr war ich in den Totentanz vertieft; ich drehte mich auf Zehenspitzen und sah auf meinen Körper herab, das Wasser fiel und rauschte über mich, ich wackelte mit den Armen und bewegte die Hüften gegen die Strömung.
    Als ich aufblickte, stand Paps in der Tür und beobachtete mich. Er hatte die Arme ausgestreckt, sie ruhten oben auf dem Türrahmen, das Licht fiel von hinten auf ihn und verbarg seinen Gesichtsausdruck, aber ich konnte an den Umrissen der Muskeln und der kurz geschnittenen Afrofrisur sehen, dass er es war, und auch, dass er schon eine Weile dort gestanden und mich beobachtet hatte. Er glitt mit den Händen die beiden Seiten des Türrahmens hinab und schlug sie sich dann vor die Beine.
    »Lass uns gehen«, sagte er.
    Draußen auf dem Bürgersteig schaute ich nach hinten und rechnete schon halb damit, dass der Mann in der Cordhose hinter uns herlief, aber wir waren allein.
    Wir aßen an einer Theke mit drehbaren Vinylhockern. Wir hatten beide Hotdogs; Paps brach seinen in zwei Teile und stopfte sich eine Hälfte auf einmal in den Mund, dann drehte er sich zu mir um – Augen weit aufgerissen, Wangen aufgeplustert. Ich lachte nicht, er hatte mich zu lange dort allein gelassen.
    Als wir uns auf den Heimweg machten, war es dunkel. Wir fuhren die ganze Nacht durch. Paps meinte, er sei erschöpft und es sei meine Aufgabe, ihn wach zu halten. Er gähnte und gähnte, und ich starrte ihn von der Seite an, schaute zu, wie die Augenlider schwer wurden und sanken und sich schließlich schlossen, dann packte ich ihn am Arm und schüttelte ihn, und er sagte: »Was? Was i s ’n passiert?«
    Wir redeten kein Wort. Ich wusste, er war in einer anderen Welt und träumte halb. Als wir den Highway verließen und auf die Straße abbogen, die uns nach Hause brachte, sagte er: »Ja, ist schon ne komische Sache«, aus dem Nichts heraus, so als hätten wir uns die ganze Zeit unterhalten.
    »Ich hab da in der Tür gestanden und dir beim Tanzen zugeschaut, und weißt du, was ich dachte?« Er hielt inne, aber ich antwortete nicht und drehte mich auch nicht zu ihm um; stattdessen schloss ich die Augen.
    »Ich dachte, wie schön du doch bist«, sagte er. »Ist das nicht komisch, wenn ein Vater so etwas über seinen Sohn denkt? Aber so war’s. Ich stand da und hab zugeschaut, wie du tanzt und dich drehst und bewegst, und ich dachte bei mir: Verdammt, da hab ich aber nen hübschen Kerl .«

Die Nacht, in der ich gemacht wurde
    S ie wurden groß, drahtig, lange Oberkörper, schlank. Ihre Kniescheiben, ihre Muskeln standen vor wie Knoten in einem Seil. Breite Stirn und starke Wülste entlang

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