Wir tun es für Geld
eigentlich wissen…«
»Aber mit Zutritt zum VIP-Bereich.«
»Nein!«
»Ach, Lulu.«
Sie legt mir den Arm um die Schultern, dreht ihren Kopf weg und unterhält sich mit Toni.
»Udo, bitte…«
Noch bevor ich den Wunsch aussprechen kann, stehen ein kleines und ein großes Glas vor mir. Der Udo. Hat auch schon gemerkt, dass das, was er hier mit Viktor und Bernd angeleiert hat, ein Tick zu viel ist. Soll ruhig mal ein schlechtes Gewissen haben.
Meine CD läuft noch immer. Wenigstens etwas. Hm, Joe Zawinuls erste Jahre in New York, irgendwie ein hochinteressantes Thema. Wie er da wohl ausgesehen hat? Von Fotos her kennt man ihn immer nur als langhaarigen Zausel-Opa. Ich schreibe ja regelmäßig Artikel über Jazz. Müsste nur endlich mal jemanden finden, der sie abdruckt.
»Noch mal das Gleiche, Udo.«
Wupp. »Danke.«
»Für mich auch das Gleiche.«
Ah, Bernd. Heute ist wahrscheinlich der erste und auch der letzte Tag in meinem Leben, an dem ich mal schicker angezogen bin als er. Er legt mir von der anderen Seite her den Arm um die Schultern. Wenn er und Vanessa jetzt gleichzeitig mit dem Unterarm zudrücken würden, hätte ich große Schwierigkeiten. Irgendwie fühle ich mich auf sehr unangenehme Art immer noch im Mittelpunkt des Geschehens. Ich bin doch nur eine verflixte Bräutigam-Karikatur, die jetzt eigentlich Feierabend hat.
Bernd knufft mich mit dem Ellbogen seines anderen Arms in die Rippen.
»Na, wie fühlt es sich an, wenn man einem Freund die Frau weggeheiratet hat?«
»Och Bernd, jetzt lass mal gut sein.«
»Okay, sorry. Irgendwie alles ein Tick zu viel, was?«
»Irgendwie ja.«
»Ines war ehrlich gesagt auch schon mal besser gelaunt. Es geht doch nur um die Steuern. Ich hätte das Viktor lieber ausreden sollen, statt auch noch mitzumachen.«
»Hab ich mir doch gleich gedacht, dass das seine Idee war.«
»Ines hat schon einen Racheplan.«
»Ja?«
»Lass dich überraschen. Du, mal ganz ehrlich, ich finde Jazz auch sehr gut, aber meinst du nicht, wir sollten jetzt mal wieder was für die Beine auflegen?«
Noch während er spricht, gibt er Udo einen Wink. Das Cannonball Adderley Quintet wird gnadenlos abgewürgt. Und, siehe da, die Tanzfläche füllt sich sofort wieder. Und das, obwohl die neue Musik noch nicht einmal eingelegt ist. Es reicht einfach, dass meine CD ausgeschaltet wird. Die beiden Arme um meinen Hals herum verschwinden genauso schnell, wie sie gekommen sind, und ich sitze wieder alleine an der Bar.
Ha. Ohne Jazz hätte es diese ganzen Gymnasiasten-Rockkracher, auf die ihr jetzt tanzt, nie gegeben. Aber das wollt ihr ja alle nicht wissen.
»Udo, noch mal.«
»Trink langsamer!«
* * *
Was soll es. Ich tanze jetzt auch mit. Udo gibt mir eh nur noch Softdrinks. Den Bräutigam-Frack werden die vom Garderobenverleih wohl erst mal grundreinigen müssen, wenn ich ihn zurückbringe, aber das sind sie sicher gewöhnt. Tut gut, das mit dem Tanzen. Ich mache raumgreifende Schritte und Drehungen und hoffe, dass ich dabei irgendwann zufällig Pfarrer-Viktor so doll umrempele, dass er die nächsten Tage bei jedem Hinsetzen sein Steißbein spürt. Aber er hat wohl die Gefahr gerochen. Ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen. Egal. Ich tanze umso wilder. Ich weiß nicht genau, was es ist, aber irgendwas in mir muss ich gerade rauslassen.
»Hoppla, Vorsicht, Lukas.«
»Hey, das ist eine Tanzfläche, Ines.«
»Das stimmt, aber du hast deinen Po nicht mehr unter Kontrolle. Soll ich mal mit ihm reden?«
»Der hört nur auf mich.«
Sie grinst. Irgendwie ist nun alles doch wieder ein bisschen normaler als vor ein paar Stunden. Aber ich weiß nicht, ob ich das wirklich gut finde. Überhaupt…
»Wo hast du eigentlich das Brautkleid gelassen?«
»Welches Brautkleid? Ach so, du meinst das Brautkleid, in das Fitnessstudio-Toni und seine Kumpels gerade den Viktor reinzwängen, und mit dem sie ihn gleich zum Iron Eagle fahren, um ihn dort im Hinterzimmer auszusetzen?«
»In der Rockerkneipe an der Steinhauser Landstraße? Mit Brautkleid? Nein, das machen sie nicht wirklich.«
»Ich hoffe, Karoline wird mir verzeihen.«
* * *
Ines und Bernd rauschen im Taxi ab Richtung Bernds Wohnung. Ich sehe durch die Heckscheibe dem Zylinder hinterher, den ich ihm zum Schluss überreicht habe. Im Licht der Straßenlaternen sinken feine Schneeflocken langsam nach unten. Ich ziehe mir den Schal fester und mache mich alleine auf den Weg zu unserer Wohnung am anderen Ende des
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