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Wir zwei allein - Roman

Wir zwei allein - Roman

Titel: Wir zwei allein - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel , Kimche AG <Zürich>
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Sturz. Ich werde nur sagen: Theres, wie klein dort unten alles ist. Du musst dich ein bisschen weiter nach vorne lehnen, noch ein bisschen, das ist nur der Wind, ich halte dich ja fest. Ich halte dich doch, Theres. Beug dich noch ein bisschen vor und schau, wie schön.

Theres, talwärts

1    Ich sitze noch im Sprinter, direkt vor meinem Hauseingang, der Motor klimpert und knackt. Ich beuge mich in den Fußraum des Beifahrersitzes und sammle die Lieferscheine ein. Meine Haut klebt vor Schweiß, es soll endlich Abend werden. Da klopft es. Es klopft an die Scheibe. Ich blicke auf und sehe in ein Gesicht. Hat Theres eine Schwester? Ich sehe in ein Lächeln hinein, in schwarze Augen hinein, die mir bekannt sind. Kurze schwarze Haare. Pagenschnitt. Sie legt das Gesicht an die Scheibe, lacht. Ein Geist. Sie öffnet die Tür und tritt einen Schritt zurück, ich steige aus.
    Theres, sage ich.
    Wir stehen uns gegenüber, ich muss mich am Seitenspiegel festhalten, mein Magen schichtet plötzlich seine Inhalte um, in der Scheibe der blaue Himmel, die Dächer der Häuser.
    Wir haben uns viel zu lange nicht gesehen, sagt sie.
    Du bist wieder zurück, sage ich und versuche das Bild einer Schwester zu verscheuchen.
    Theres atmet aus. Schüttelt lächelnd den Kopf. Es war so schön, sagt sie.
    Über uns das Gebrumm eines unsichtbaren Flugzeugs, der blaue Himmel durch Kondensstreifen zerteilt, ein kleiner Junge auf einem Fahrrad fährt klingelnd an uns vorbei. Meine Beine geben nach, ich lehne mich gegen die heiße Motorhaube. Theres schaut mich erwartungsvoll an. Fragend. Die kurzen Haare: Sie sieht jünger aus. Ihr Hals so schlank, der feine dunkle Flaum, sie trägt ein rotes T-Shirt, ihre Haut darunter gebräunt. Sie macht einen Schritt auf mich zu, öffnet die Arme, noch einen Schritt, der Duft ihrer Haut, sie geht auf die Zehenspitzen und umarmt mich. Ich habe so viel an dich gedacht, flüstert sie in mein Ohr. Sie küsst meinen Hals, streichelt mir den Nacken bis hinauf in die Haare. Sie drückt sich fest an mich.
    Weißt du, was der Stockholmer Shergort ist?, fragt sie. Das sind Hunderte von Inseln, die meisten unbewohnt, man erreicht sie nur mit einem Boot, man muss jemanden kennen, der eins hat. Man kann ein Feuer machen, man kann nackt schwimmen, man kann schreien, so laut man will. Sollen wir hochgehen?
    Sie macht einen Schritt zurück. Ich weiß, sagt sie. Ich habe mir die Haare geschnitten. Irgendwie musste das sein.
    Dann die Angst in ihrem Gesicht. Findest du, es sieht blöd aus?
    Es sieht gut aus, Theres.
    Wir könnten etwas kochen heute Abend, sagt sie. Vielleicht Rucola-Pasteten oder Schrimps-Maultaschen oder Pizza mit Mango und spanischer Salami, der scharfen, weißt du? Habe ich vor ein paar Wochen in Barcelona gegessen.
    Barcelona?, frage ich.
    Warte, sagt sie. Es ist zu spät zum Einkaufen. Wir könnten einfach essen gehen. Ich habe aber kein Geld mehr. Ich habe den ganzen Rest dem Kapitän gegeben. Obwohl, Kapitän ist übertrieben. Er besitzt ein Boot und kennt sich ein bisschen aus. Dabei ist er jünger als ich.
    Plötzlich steht sie wieder dicht vor mir, sie wühlt sich in eine Umarmung rein, sie küsst mich auf den Mund, aufs Kinn, auf den Hals, auf die Wange, auf den Mund, aufs Kinn.
    Theres, sage ich.
    Entschuldigung, sagt sie. Ich habe dich so viel vermisst. Lass uns bitte hochgehen. Jetzt gleich. Bitte.
    Sie zieht mich in den Hauseingang, sie steht schon an der Treppe, ist schon auf der nächsten Etage, ich hole sie an der Wohnungstür ein. Im Dämmer des Treppenhauses nur der Schemen ihrer Gestalt. Ich bin außer Atem.
    Theres, sage ich. Ich dachte, du wolltest in die Schweiz.
    Ich war in der Schweiz.
    Auf der Burg?
    Ja.
    In der Wohnung wasche ich mein Gesicht mit kaltem Wasser, meinen Nacken, meine Unterarme. Ich schaue nicht in den Spiegel. Ich ziehe mir im Schlafzimmer mein letztes frisches T-Shirt an. Kindergeschrei von der Straße. Ich setze mich aufs Bett, atme. Ich stehe auf, gehe zur Tür, in den Flur. Die Flurwände plötzlich ganz nah, pulsierend. Die Farben wechseln von Rot nach Schwarz nach Violett nach Orange, ein Wühlen durch einen Unterleib ist das, durch einen Tunnel, der lebt, der sich wie die Speiseröhre zusammenzieht und mich endlich ins Wohnzimmer hinausdrückt.
    Ich verstehe das nicht.
    Fraglich, ob ich diesen Satz wirklich gesagt habe. Aber Theres springt vom Sessel auf und steht schon am Fenster, blickt mich ängstlich an.
    Es tut mir leid, sagt sie. Ich hätte eine Karte

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