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Wir zwei allein - Roman

Wir zwei allein - Roman

Titel: Wir zwei allein - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel , Kimche AG <Zürich>
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stehen ihr gut. Sie machen sie weiblicher, ihr schlanker Hals, ihre schlanke Taille, sie trägt eine Jeans und ein graues T-Shirt, keinen BH . Ganz schlicht alles. Theres ist immer schlicht, ihr Lächeln unscheinbar, sie trägt nie Schmuck.
    Darf ich bei dir schlafen?, sagt sie, als wir eine Stunde später wieder über die Stadtgrenze fahren.
    Was ist los, Theres?
    Ich will nicht nach Hause, sagt sie.
    Ist etwas passiert?
    Nein.
    Du kannst immer bei mir schlafen, Theres.
    Kurz vor dem Roteckring kommen wir in einen Stau. Die Sonne brennt noch immer, obwohl es fast sechs ist. Meter für Meter geht es vorwärts. Das Brummen und Hupen durch das offene Fenster, der Geruch nach Ozon. Die Dreisam neben uns ist ein Rinnsal. Theres beugt sich zu mir rüber und küsst mich auf die Wange. Sie schaltet das Radio ein. Sie steckt den Kopf aus dem Fenster und singt mit. Dann schaut sie mich mit einem sehr ernsten Gesichtsausdruck an.
    Ich habe dich wirklich vermisst, sagt sie. Sie lehnt sich zurück, legt die nackten Füße auf die Ablage.
    Ein Fahrradkurier fährt an uns vorbei, schlängelt sich durch die Autoreihen.
    Darf ich morgen wieder mit?, fragt sie.
    Warst du schon im Laden?, frage ich.
    Mache ich nächste Woche. Darf ich mit?

    5    Das Folgende wäre möglich: Theres und ich in der Wutachschlucht, mit Füßen im Fluss, über uns die Lianen, die von den Bäumen hängen. Theres und ich im Edeka an der Merzhauser Straße, wo die Stadt therapierten Alkoholikern Arbeit gibt. Theres und ich in der Vauban, beim Stadtteilfest. Theres und ich in den Weinfeldern über Merzhausen, mit Blick auf die Stadt, von einer ganz anderen Seite her. Theres und ich im Café Karl, über den brüllenden Wirt lachend, der mit seinem Bruder wegen Koksschmuggel in einem bolivianischen Gefängnis saß. Theres und ich am Rhein, mit Blick aufs französische Ufer. Theres und ich auf dem Breisacher Kirchplatz, einen Flammkuchen teilend. Theres und ich, Fahrradfahrer überholend, im Kaiserstuhl.
    Wie wäre es in einem Café, Theres? Oder in einem Kino an der Kasse? Warum besuchen dich deine Eltern nie? Warum besuchst du sie nie? Soll ich dir Geld leihen? Woher stammst du eigentlich? Wo bist du gewesen? Und hast du Stefano geküsst?

    6    Wir könnten alles mit bunten Scherben auskleiden, sagt Theres. Die ganze Stadt wäre ein Mosaik aus Glas, wie Barcelona. Überleg mal, welche Spiele das Licht hier machen könnte, morgens in hellen Flächen, rosa und hellblaue Schatten auf den Plätzen, die sich umeinander drehen, farbige Ideen würden uns in die Augen und in die Köpfe springen, Kirchenglas, Flaschenboden, Kristall, Spiegelungen von Gedanken überall, ein Karussell aus versprengten Gefühlen, die Kinder würden violetten Wesen nachjagen, die mit der Sonne über die Mauern flitzen, Libellen, Vögel, Blumen, Geckos, die gleich wieder verschwinden. Ich war im Park Güell von Gaudí, dort springt dich aus jedem Winkel etwas Neues an, unter dir die roten Dächer, der Hafen, das blaue Meer, das Kreischen der Möwen, und du bist im Schatten der Bäume. Es riecht nach Pinienzapfen, und irgendwo singt eine Zikade, und die Mosaikfiguren flüstern dir zu und öffnen dir den Blick in pastellgrüne Waschbäder, in Cafés, in denen Männer Wasserpfeife rauchen, in denen Äffchen Feigen von den Tischen klauen.
    Theres, sage ich. Wir sollten langsam zurück.
    Wir sitzen auf einem Baumstamm, am Rand der großen Wiese an der Eichhalde, hoch oben über der Stadt. Das Münster unter uns, das Theater, die Universität, dann, weiter in der Ebene liegend, die Unikliniken, die Hochhäuser von Haslach, Wald, dann, schon im Dunst des Mittags, unter azurblauem Himmel, der Kaiserstuhl mit seinen zwei Gipfeln. Dort drüben, zwischen der Stadt und dem Kaiserstuhl, müsste ich längst sein. In Merdingen, in Gottenheim, in Bötzingen. In dieser schwülen Hitze, nicht hier im Schatten, in dem es nach dem Unterholz riecht, durch das kleine Fliegen schwirren. Die Leute brauchen ihre Lieferungen. Sie haben bestellt, und nun warten sie.
    Nur noch ein bisschen, sagt Theres. Ist es hier nicht schön?
    Doch. Es ist sehr schön.
    Wir könnten doch auf den Rosskopf steigen und uns unter die Windräder legen und uns von den Propellern den Schweiß trocknen lassen, sagt sie. Was meinst du?
    Theres, sage ich.
    Schau, die Dächer da unten, sagt sie. In all den Straßen und Häusern und Büros sind Menschen, die gerade jetzt, in diesem Augenblick, irgendwelchen Berufen nachgehen und

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