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Wir zwei allein

Wir zwei allein

Titel: Wir zwei allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Nawrat
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einen Bach und ein Mühlrad und eine Wiese. Du hättest eine große Werkstatt, wir hätten Hühner und ein paar Ziegen. Wir würden mit der Sonne aufstehen. Im Winter würden wir die Eisblumen an den Fenstern zählen. Im Sommer würden wir auf der Wiese zu Mittag essen. Du könntest einmal in der Woche in die Stadt fahren, um deine Sachen auf dem Markt zu verkaufen. Und ich könnte Gemüse anbieten. Wir würden unseren eigenen Kirschschnaps und Brennnesseltee machen. Wir würden unseren eigenen Strom im Bach produzieren. Wir hätten sowieso nur eine Lampe im Wohnzimmer, für die Frühabende im Dezember und Januar. Theres, stell dir vor, wie viele Sterne der Himmel im Schwarzwald hat! Und was für eine Stille dort nachts herrscht. Wie fändest du das?

    24    Warum denn komisch?, fragt Theres.
    Der Typ sieht aus wie ein Baum. Er lehnt auch an ihr wie ein Baum. Wie so ein umgestürzter Baum.
    Halt so, sagt er und lacht. Oder findest du das erotisch?
    Sie schiebt ihn weg, er richtet sich auf und überragt sie um zwei Köpfe. Der Geruch nach Schießpulver, der Dampf unter der Laterne. Etwas knallt direkt an meinem Trommelfell, gefolgt von einem Zischeln. Jemand rempelt mich an und wünscht mir ein gutes Neues. Die Gesichter erleuchtet in Rot, Grün, Violett. Ich habe Theres abgeholt und sie dann in der Menge verloren. Und jetzt lehne ich am Geländer der Kronenbrücke und sehe die beiden. Theres bückt sich und schiebt ein Stück Hosenbein in die Socke. Ich stehe nicht weit entfernt, aber sie bemerkt mich nicht.
    Du schaust gut aus, sagt der Typ.
    Danke, sagt sie.
    Er hat rasierte Haare, nur am Hinterkopf hängt eine verfilzte Kordel. Er packt einen Lederbeutel aus und hält ihr eine Selbstgedrehte hin. Sie schüttelt den Kopf. Er hält die Hand ausgestreckt und schaut ihr dabei in die Augen. Sie schaut zurück. Es dauert eine Ewigkeit. Da greift sie nach der Zigarette, und er gibt ihr Feuer. Sie zieht den Rauch kaum ein und stößt ihn schon wieder aus. Sie hält die Zigarette weg vom Körper, die Augen verengt.
    Du schaust aus, als wärest du einsam, sagt der Typ.
    Ich bin aber nicht einsam, sagt sie.
    Jeder Mensch ist einsam, sagt er.
    Er hat sich an das Brückengeländer gelehnt. Die Haarkordel steht jetzt nach oben. Er hält ihr eine Sektflasche hin. Sie nimmt einen Schluck. Noch einen. Ich muss mich an der Laterne festhalten, weil meine Beine auf einmal wegknicken wollen. Ich könnte hingehen und meinen Arm um sie legen. Wir könnten zusammen weggehen.
    Bei uns ist heute noch Party, sagt der Typ.
    Ich mag keine Partys, sagt Theres.
    Na und?
    Wie, na und?
    Was geht es mich an?, fragt der Typ. Wir haben sieben Wagen, es werden hundert Leute kommen. Die Kinder werden alle wach sein. Wir haben eine Anlage, es gibt ein großes Feuer. Es ist mir egal.
    Heute ist überall eine Party, sagt Theres. Da kann ich mich gar nicht entscheiden.
    Du willst wohl gar nicht wissen, wie ich heiße.
    Nein, sagt Theres.
    Sie nimmt noch einen Schluck Sekt, er nimmt ihr die Flasche aus der Hand.
    Ich wette, du heißt Sara, sagt er.
    Ja, das stimmt, sagt sie.
    Er schaut sie an. Lächelt. Schnippt die Kippe in die Luft. Die Kippe steigt direkt über ihm auf, sinkt dann wieder und landet genau vor seinen Füßen. Er tritt sie aus. Schaut dabei immer noch in Theres’ Gesicht. Theres schaut immer noch zurück.
    Ich werde wieder angerempelt. Arschloch, sage ich.
    Ich wette, du bist Lehrerin, sagt der Typ.
    Theres lacht. Es klingt so klar wie die Dreisam unter uns. Sie wirft dabei den Kopf zurück. Rote Flecken auf ihren Wangen. Seine Hand ist schon in ihrem Nacken. Er streicht zum Haaransatz hinauf. Sie zuckt nicht einmal zusammen. Sie lässt den Kopf leicht zur Seite sinken. Seine Hand ist viel zu groß für sie. Eine Schaufel, die nach einem Porzellanengel greift.
    Ich muss jetzt gehen, sagt Theres. Sie hat ihre Augen geschlossen. Ihren Kopf zur Seite geneigt. Als würde sie einer Melodie nachhorchen.
    Es ist nicht weit, sagt der Typ.
    Und schon hat er sich bei ihr untergehakt. Theres angelehnt an einen Baumstamm. Theres mit einem Lächeln im Gesicht. Ist das Spott? Es ist Spott. Sie winkt nicht. Sie dreht ihren Kopf nicht zu mir zurück, während sie über die Brücke davongehen. Sie hebt nicht den Arm. Sie formt keine Worte mit dem Mund.
    Und das Geschwirr direkt neben meinem Bein. Das Rauschen der Dreisam direkt in meinem Bauch. Die leeren Sektflaschen auf dem Bürgersteig. Der Boden bedeckt mit zerfetzter Pappe. Am Himmel nur noch eine

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