Wir zwei allein
nächsten Moment ist meine Nase in ihren Haaren, an ihrem Hals. Ich küsse, verpasse sie. Sie hat sich umgedreht und lehnt an meiner Schulter. Das Licht hinter meinen Lidern schlägt Wellen. Wir sind auf einem Schiff, unterwegs nach Neu Guinea, nach Lombok. Der Regen klopft an die Scheibe. Unter den Dielen schwankt der Ozean. Ich höre die Möwen. Die Luft riecht nach Salz.
Man muss deine Jacke über die Badewanne hängen, sagt Theres.
Sie steht schon in der Tür und verschwindet im Gang. Ich höre, wie sie den Duschvorhang beiseiteschiebt.
Später sitzen wir am Küchentisch. Trinken Tee. Auf ihrem Fensterbrett hat sie Majoran und Basilikum aufgestellt. Daneben steht ein Blechkännchen mit orientalisch langem Hals.
Theres, sage ich.
Ich habe heute jemanden gesehen, der eine Schildkröte Gassi geführt hat, sagt sie. Sie lacht, schaut mich nur kurz an. Das war der alte Mann mit dem Kropf unter dem Kinn, weißt du? Wie eine Orange. Wohnt um die Ecke von hier und hat diesen Laden mit den alten Büchern. Und der stand hier unter meiner Wohnung und hatte eine Schildkröte an der Leine, bestimmt so groß wie eine Salatschüssel. Sie krabbelt in so einem Quadrat aus Gras unter einem Baum umher und fährt ihren Hals die ganze Zeit raus und wieder rein. Und er sagt die ganze Zeit: Schnucki, Schnucki. Willst du wohl was essen? Gutes Gras. Hm. Lecker. Schnucki. Theres setzt ihre Tasse an die Lippen, lacht. Kannst du dir das vorstellen?
Ich hatte auch mal ein Haustier, als ich klein war, sage ich.
Ja? Was denn?
Einen Vogel.
Theres lacht wieder.
Der Tee dampft. Wir trinken Tee.
Es ist spät, sage ich irgendwann. Ich muss dann mal wieder gehen.
Okay, sagt sie.
22 Wenn du wüsstest. Die Liebe ist eine gute Institution. Sie wird nie aus der Mode kommen. Sie wird höchstens aus allen Nähten der Gesellschaft platzen, wie wir in diese Party. Theres, ich glaube, man könnte verwechseln, was uns lila und stark macht. Ein Grundbaustein, sagst du. Ich überlege und setze mir ein farbiges Glas vors Auge. Jetzt verstehen wir uns, sage ich. Du lachst in die Schüssel mit Wasser hinein, die Wellen schwappen gegen meinen Finger, den ich reinhalte. Ich weiß, du bist glücklich. Ich weiß, dass du weißt, dass ich es weiß. Ich sehe in der Fensterscheibe, wie sich dein Mund bewegt. Über meine Ohren habe ich Alufolie gewickelt, sie scheppert, wenn du sprichst. Ich streichle über einen Block Wachs, in den du zuvor deine Handfläche hineingedrückt hast. Lies meine Zukunft, sagst du. Wir stehen vor dem Ruin, sage ich. Aber unsere Schatten tanzen an der Wand. Du hauchst gegen den Glastisch, ich ziehe einen Strich quer über die Platte. Du darfst mir Zettelchen zuwerfen, sage ich. Du stehst auf, öffnest die Tür und sagst etwas ins Treppenhaus.
23 Heiligabend. Rudi hat den Baum geschmückt, den Niko und ich bei Kirchzarten geholt haben. Mit Mutter habe ich vor drei Tagen festlich zu Abend gegessen, dann ist sie zu einer Bekannten nach Barcelona geflogen. Gestern sah ich Theres mit Stefano in der Stadt. Stefano sagte etwas, sie warf lachend den Kopf zurück, sie verschwanden hinter dem Martinstor. Heute Morgen habe ich ihr einen Glühwein mitgebracht. Sie nahm aus dem Laden eine Decke mit, und wir saßen darin eingepackt auf einer Bank. Sie starrte in ihre Tasse. Ist etwas passiert, Theres?, fragte ich. Sie schüttelte den Kopf. Bist du krank? Hast du schlecht geschlafen? Es ist alles gut, sagte sie. Soll ich dir einen Tee holen? Soll ich für dich in die Apotheke fahren? Ich bin nur müde, sagte sie, das ist alles. Wer ist eigentlich dieser Stefano? Habe ich nicht gefragt.
Ich bin die letzten Tage durch eine leere Stadt gegeistert. Ich erwache mitten in der Nacht, schlüpfe in die Jogginghose. Mit einer Schere steche ich Löcher in den Saum, fädle eine Schnur hindurch, mache einen Knoten. Auf meinem nackten Oberkörper tausend Nadelstiche. Im Küchenfenster ein Rippenkäfig, über den Tisch gebeugt, aus den Wänden kommt ein Klopfen. Ich gehe von Raum zu Raum und drehe die Heizkörper ab, ich hole alte Decken aus dem Keller und lege zwei auf die Fensterbänke im Wohnzimmer. In eine wickle ich mich ein. Bald hat das Klopfen aufgehört. Man darf keinen Mucks mehr von sich geben. Man muss am Ende ganz verschwunden sein.
Theres, wie wäre es, wenn wir eine Wohngemeinschaft auf einem Hof im Schwarzwald gründeten? Ich habe neulich mit einem Bauern in Wieden geredet, der würde eins seiner Häuser vermieten. Dort gibt es
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