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Wir zwei sind Du und Ich

Wir zwei sind Du und Ich

Titel: Wir zwei sind Du und Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Raufelder
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ist verwirrt.
    „Wie meinst du das?“
    „Als ich deinem Vater erzählte, dass ich schwanger sei, wurde er sehr nachdenklich. Wir lagen auf einer alten Matratze in seiner Studenten-WG in Kreuzberg und redeten die ganze Nacht. Ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen. Wir malten uns die Zukunft aus, unser Leben und spielten wilde Phantasien durch, wie unser Kind wohl werden würde.“
    Ein verräterischer Glanz liegt auf Frau Lehmanns Augen. Ri fürchtet, sie könne gleich anfangen zu weinen. Aber sie tut es nicht.
    „Er sagte, dass ab jetzt alles anders wird. Am nächsten Morgen schnitt sich dein Vater die langen Haare ab und saß Tag und Nacht nur noch am Schreibtisch über seine Bücher gebeugt, um sein Studium endlich abzuschließen. Sein Professor machte ihm ein Stellenangebot als Mitarbeiter im Fachbereich und dein Vater nahm an. Für dich, Ri! Für dich!“
    Ri schluckt. Das hatte sie nicht erwartet. Für einen Augenblick ist sie sprachlos und verwirrt. So hatte sie das nie gesehen.
    „Für mich?“
    Frau Lehmann nickt und schaut auf die gelbe Tram, die gerade lärmend am Impala vorbeirattert und die Pappelallee hochfährt.
    „Das erste Foto von dir hat Papa mit in sein Büro genommen und dort aufgestellt. Damit er immer weiß, wofür er das alles macht, hat er gesagt. Die Arbeit. Der Stress.“
    „Aber hätte er nicht sowieso irgendwann arbeiten müssen?“ fragt Ri nach einer kurzen Weile.
    „Natürlich“, sagt Ris Mutter, „aber die Freiheit, seinen Träumen zu folgen, mit einem VW-Bus durch Europa zu fahren oder in drittklassigen Bars mit einer Gitarre aufzutreten und von der Hand in den Mund zu leben, die war dahin.“
    Ri schaut aus den großen Fensterscheiben, in denen sich das Straßenleben spiegelt.
    „Und er hat es gerne getan“, fügt Ris Mutter hinzu. „Er hat sich so sehr auf sein kleines Mädchen gefreut. Als er dich das erste Mal in seinen Armen hielt, wollte er dich gar nicht mehr hergeben.“
    Still sitzen sich Ri und ihre Mutter gegenüber und trinken den Rest ihrer Café Latte. Ri nimmt ganz kleine Schlucke und fühlt der Wärme nach, die sich langsam in ihr ausbreitet.
    „Hör mal, Mama“, Ri zögert einen Moment. „Belinda hat uns für einen Gesangswettbewerb angemeldet. In zehn Tagen, im großen Theatersaal. Magst du nicht kommen?“
    Jetzt ist es raus.
    „Gesangswettbewerb? Singt Belinda denn?“
    Ri schluckt. „Nein, ich“, sagt sie leise.
    „Du?“ Ris Mutter legt ihre Hand auf Ris Unterarm. „Aber das wusste ich ja gar nicht!“
    Lange blickt sie in das Gesicht ihrer Tochter, in die warmen, braunen Augen, als würde sie sie jetzt zum ersten Mal ansehen.
    „Ich auch nicht“, lacht Ri sie an. Dann erzählt sie ihrer Mutter von den Lernstunden mit Ben und wie sie aus Versehen gesungen hatte.
    „Du steckst voller Überraschungen, Ri!“
    Ri ist verwundert, dass ihre Mutter das alles so ruhig und positiv auffasst, als würde sie über ein Buch berichten, das sie gerade ausgelesen hat. Keine Vorwürfe! Keine Moralpredigt! Keine Verbote!
    „Du auch!“, sagt Ri deswegen. Ein Lächeln kann sie sich nicht verkneifen. „Also kommst du?“
    „Natürlich!“
    „Und so lange darf ich bei Ben wohnen bleiben?“, fragt Ri mutig.
    „Ja“, sagt ihre Mutter leise, aber bestimmt. „Und dann reden wir und sehen weiter. Ok?“
    „Einverstanden!“ Ri strahlt über das ganze Gesicht.
    „Mama?“, Ri zögert. Aber ihre Mutter schaut sie aufmunternd an.
    „Wie geht es Papa?“
    „Besser. Er ist jetzt in der Reha“, sagt ihre Mutter.
    „Ist er sehr böse auf mich?“ fragt Ri.
    „Der Herzinfarkt hat ihn verändert. In der Reha hat er eine Therapie angefangen. Die hilft ihm beim Nachdenken.“
    „Papa und eine Therapie?“ Ri staunt. Ihren Vater beim Therapeuten kann sie sich beim besten Willen nicht vorstellen.
    „Ja. Die Therapeutin sagt, dass so ein Infarkt für viele Menschen einen Neuanfang bedeutet. Plötzlich erscheint das Leben nicht mehr endlos und die Patienten fangen an, ihr Leben und ihre Prioritäten zu überdenken.“
    „Dann will Papa neu anfangen?“ Ri runzelt die Stirn.
    „Das weiß ich nicht“, sagt ihre Mutter. „Aber ich kann ab und zu den Gitarre spielenden Jungen mit den schönen Locken wieder in deinem Vater erkennen.“
    Ihre Mutter lächelt.
    „Er würde sich freuen, von dir zu hören“, fügt sie hinzu.
    Ri überlegt.
    „Hast du seine Adresse?“, fragt sie schließlich.
    Ihre Mutter schreibt rasch alles auf eine Serviette und

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