Wir zwei sind Du und Ich
Pampelmuse treten. Tausend Gedanken schießen ihr gleichzeitig durch den Kopf und mit keinem kann Ri etwas anfangen.
Das schaffe ich nie, denkt sie gerade, als sie Ben sieht, der zärtlich seinen Arm um Belinda legt und sie lange und innig umarmt. Er hat die Augen dabei zu und sieht richtig glücklich aus. Dann küsst Belinda Ben auf den Mund.
Ri sticht es ins Herz. Sie will wegsehen, aber sie kann nicht. Wenn jemand hinfällt, muss man ja auch hingucken.
In den letzten Wochen hatte sie schon bemerkt, dass Belinda Ben anhimmelt, aber sie hat sich nichts dabei gedacht. Schließlich ist Ben schwul! Oder ist er gar nicht schwul? Vielleicht hat er es nur gesagt, um sie loszuwerden?
Ri fühlt sich ausgegrenzt, in die Ecke gestoßen. Lieblos weggeworfen, wie einen mehligen, angebissenen Apfel, der nicht schmeckt. Hilflos. Allein. So wie früher in der Zeit ohne Ben.
Alles nur Lüge! Er mag mich gar nicht! Belinda auch nicht! Sie haben mich nur benutzt! In Wirklichkeit bin ich ihnen nur ein Klotz am Bein!
Ri rennt weg, durch die kalten Flure. Nach draußen, an die frische Luft, durchatmen.
Drinnen ist der Abend schon in vollem Gange. Sie haben Startnummer 11 von 21. Um 22 Uhr sollen sie spielen. Noch eine halbe Stunde.
Ri ist verzweifelt. Ihre Beine zittern so sehr, dass sie sich in die Hocke fallen lässt. Mit dem Rücken lehnt sie sich an die kalte Mauer und überlegt. Je öfter sie sich das Bild des Kusses zwischen Ben und Belinda ins Gedächtnis ruft, desto wütender wird sie. Sie ist sonst nie wütend! Höchstens auf ihren Vater. Aber jetzt sammelt sich die ganze Wut in ihrem Bauch, wie eine Windrose, die langsam alles um sich herum aufsammelt und immer größer und bedrohlicher wird. Und sie dreht sich und dreht sich und immer mehr Wut und Enttäuschung werden in der Windrose aufgesogen.
Plötzlich fliegt die große Stahltür neben ihr auf.
„Hier steckst du!“, ruft Belinda erleichtert. „Ich hab dich schon überall gesucht“.
Ri schaut sie böse an, aber Belinda ist viel zu zappelig und aufgeregt, um es zu bemerken.
„Jetzt aber mal hin“, sagt sie und zieht Ri nach oben. Angewidert erträgt Ri ihre Berührung und die Windrose wächst und wächst. Ri kann die Wut schon spüren, wie sie von innen gegen ihre Bauchdecke drückt.
Wut im Bauch
Der schwere, rote Vorhang geht langsam auf. Normalerweise wäre Ri spätestens in diesem Moment von der Bühne gerannt. Aber alles, was sie jetzt spürt, ist diese Wut in ihr. Sie sieht nicht die vielen Augen, die auf sie gerichtet sind und hört weder das Raunen der vielen Stimmen, noch die Ansage des Moderators.
Mit großen, schweren Schritten geht sie auf das silber glitzernde Mikro zu, das in der Mitte der Bühne steht. Ihre Hand umgreift es fest.
Im Saal ist es jetzt mucksmäuschen still.
Ri schließt die Augen. Der Tornado in ihr vibriert. Belindas Gitarre zerstört die Stille. Als Ris Einsatz kommt, tragen die Töne ihre Wut davon. Laut für Laut. Silbe für Silbe. Ri lässt die ganze Wut aus sich heraus!
Als Belindas Gitarre verstummt, sieht und spürt Ri zum ersten Mal den vollen Saal. Für einen Atemzug ist es nur still. Dann bricht der Applaus los. Wie eine Welle tost er über Ri hinweg und überspült sie.
Ri ist verwirrt und schaut sich um. Da entdeckt sie ihn – ganz hinten. Er steht an den Türrahmen gelehnt und klatscht. Er klatscht und schreit – ihr Vater.
Belinda zieht Ri, die ihre Augen nicht von ihrem Vater lassen kann, von der Bühne. Aber der Applaus verfolgt sie. Bis weit hinter die Bühne.
Pinguin und rosa Kaugummi
„Ri, das war super!“ Ben kommt auf sie zugerannt und hebt sie in die Luft.
„So gut warst du noch nie! Der absolute Hammer!“
Ri stößt ihn weg. „Lass mich!“, schreit sie ihn an. „Geh doch zu Belinda und knutscht wieder rum.“ Sie schubst Ben in Belindas Richtung.
„Man Ri, beruhig dich mal!“, schreit Belinda zurück.
„Ich will mich aber nicht beruhigen! Meinst du, ich habe nicht gesehen, wie du dich an ihn rangeschmissen hast!“ Tränen schießen ihr in die Augen.
„Mensch Ri“, fällt Ben ein. „Ich habe Belinda doch nur umarmt, weil ich mich bei ihr bedanken wollte, dass sie für dich da ist und dir so eine gute Freundin ist.“
Belinda nickt. Ri will es fast glauben, aber die Zweifel nagen heftig an ihr. „Und warum hast du ihn dann geküsst?“
„Weil er so ein dufter Typ ist! So einen tollen Freund kann man sich nur wünschen. Er würde alles für dich tun, Ri. Kapierste das
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