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Wissen auf einen Blick - Philosophen

Wissen auf einen Blick - Philosophen

Titel: Wissen auf einen Blick - Philosophen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelius Grupen
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Über Nacht berühmt
    Der Kreter Epimenides hat sich seinerzeit der Überlieferung nach in eine Höhle zurückgezogen und dort über 50 Jahre ununterbrochen geschlafen. Als er wieder aufwachte, glich dies einer Erweckung aus dem Reich der Toten. Er selbst habe gesagt, dass er wieder zurück in die Gesellschaft der Menschen fand, um Unheil abzuwenden. Fortan wurde er von den Griechen als Gott verehrt, und auch einige Wundertaten sind dem Kreter zugeschrieben worden. Dem Schlaf des Epimenides hat auch Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) ein Denkmal gesetzt: in seinem Festspiel „Des Epimenides Erwachen“ von 1814. Das von Epimenides in die Welt gesetzte Paradoxon hat sich ebenfalls als langlebig erwiesen: In Form der Russell’schen Antinomie beschäftigt es die Gelehrten bis heute.

Kolorierter Holzschnitt von Michael Wohlgemut und dessen Stiefsohn Wilhelm Pleydenwurff in der Schedelschen Weltchronik, Nürnberg 1493. Der Philosoph Epimenides von Knossos findet sich in der Nürnberger Chronik des Hartmann Schedel in direktem Umfeld mit den Sieben Weisen des alten Griechenlands, zu denen er heute jedoch nicht mehr von allen Forschern gerechnet wird
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    (c) Interfoto, München

Das Maß der Dinge
Protagoras von Abdera (um 485–415 v. Chr.)
    Können wir unseren Augen wirklich trauen? Einer der ersten, die sich mit dem Problem von Schein und Sein beschäftigten, war der griechische Weisheitslehrer Protagoras von Abdera. Da die Schriften des Protagoras nicht erhalten sind, ist der seinerzeit berühmte Sophist heute hauptsächlich durch die Dialoge Platons (427–347 v. Chr.) bekannt, in denen Protagoras als Gesprächsteilnehmer auftaucht.
Ist Tugend lehrbar?
    Im Dialog „Protagoras“ lässt Platon seinen Lehrer Sokrates (469–399 v. Chr.) in der Frage, ob Tugend lehrbar sei, gegen Protagoras argumentieren. Protagoras, der selbst reisender Lehrer war, vertritt die Position, es sei möglich, die Menschen zu guten Staatsbürgern zu erziehen, Sokrates die Gegenposition, dass Tugend nicht lehrbar sei. Protagoras lässt sich von Sokrates davon überzeugen, dass die Tugend mit der Erkenntnis von Gut und Böse steht und fällt.
    Sokrates ist überzeugt, dass kein Mensch bewusst Böses tue, sondern dass das Böse aus dem Unwissen erwachse. Daraus lasse sich jedoch auch der Schluss ziehen, dass Tugend lehrbar sei. Das Gespräch endet mit der Vertagung der Diskussion.
Augenschein ist Wahrheit
    In seinem „Theaitetos“, einem Dialog über das Wesen der Erkenntnis, beschäftigt sich Platon ein zweites Mal mit Protagoras und seiner Lehre. Es geht um die Frage, ob die Welt so ist, wie sie uns in unserer Wahrnehmung erscheint.
    Platon zitiert Protagoras im „Theaitetos“ mit einer Aussage, die als Homo-Mensura-Satz (nach lat.
homo
, Mensch, und
mensura
, Maß) bekannt ist: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge, derer, die sind, dass sie sind, und derer, die nicht sind, dass sie nicht sind.“ Damit ist jedoch nicht der Mensch als Gattung, sondern als einzelnes Individuum gemeint. Die Wirklichkeit ist Protagoras zufolge nichts anderes als unsere subjektive Erkenntnis von ihr. Dies führt dazu, dass eine Aussage für den einen Menschen wahr und den anderen falsch sein kann, wenn sich die Wahrnehmungen der Menschen voneinander unterscheiden. Auch unter verschiedenen Umständen kann ein Sachverhalt einmal als wahr und einmal als falsch gewertet werden. Aus diesem Grund ist keine objektive Aussage über die Wirklichkeit möglich.
    Relativismus
    Mit seinem Satz vom Menschen als Maß aller Dinge gilt Protagoras als Begründer des Relativismus. Darunter versteht man die Annahme, dass alle Erkenntnis von ihren jeweiligen Bedingungen und vom Standpunkt des Erkennenden abhängt. Neuzeitliche relativistische Standpunkte finden sich unter anderem bei Johann Gottfried Herder (1744–1803) und Paul Feyerabend (1924–1994), der gegen den „Methodenzwang“ der Wissenschaft kämpfte
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    Wenn der Wind mir kalt vorkommt, so
ist
er kalt. Wenn der Wein mir bitter schmeckt, so
ist
er bitter – für mich. Protagoras erklärt auf diese Weise die subjektive Wahrnehmung zur Wirklichkeit. Damit negiert er die Existenz einer absoluten, vom Menschen unabhängigen Wahrheit.
    Die Beschränkung auf rein menschliche Maßstäbe wurde dem Philosophen von seinen Kritikern als Überheblichkeit ausgelegt. Diese Fehlinterpretation und die Tatsache, dass die Skepsis des Protagoras auch vor den antiken Göttern nicht Halt machte, wurde ihm zum

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