Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
erinnern, daß er jemals in Exeter gewesen war. (In Wirklichkeit war der Mann erst siebenundfünfzig.)
    Dann gab es noch drei oder vier Exonianer in East Hampton, mehrere in Bridgehampton und Sag Harbor und ein paar in Amagansett, Water Mill und Sagaponack. Die Coles wohnten in Sagaponack. Eddie war sprachlos. Kannte sein Dad ihn denn so wenig? Eddie wäre nie im Leben auf die Idee gekommen, sich an diese Fremden zu wenden, selbst wenn er dringend Hilfe gebraucht hätte. Diese Exonianer! hätte er um ein Haar laut geschrien.
    Eddie kannte viele Lehrerfamilien in Exeter; auch wenn die meisten von ihnen die Vorzüge der Academy nicht als selbstverständlich betrachteten, hatten sie doch keine maßlos überzogenen Vorstellungen davon, was es bedeutet, ein Exonianer zu sein. Eddie fand es ausgesprochen unfair, daß sein Vater es schaffte, ihm aus heiterem Himmel das Gefühl zu geben, Exeter zu hassen; in Wirklichkeit wußte er, daß er sich glücklich schätzen durfte, diese Schule zu besuchen. Er bezweifelte, daß man ihn aufgenommen hätte, wenn er nicht der Sohn eines Lehrers gewesen wäre, und war für sein Empfinden in seiner Altersgruppe ziemlich gut integriert – soweit das an einer reinen Jungenschule überhaupt möglich war, wenn man nichts für Sport übrig hatte. Doch in Anbetracht seiner Angst vor Mädchen seines Alters war Eddie nicht unglücklich über die reine Jungenschule.
    Er achtete sorgfältig darauf, zum Onanieren sein eigenes Handtuch oder seinen eigenen Waschlappen zu nehmen, den er anschließend auswusch und wieder an seinen Platz im Familienbad hängte. Auch verknitterte Eddie niemals die Seiten der Versandhauskatologe seiner Mutter, deren unterschiedliche Modelle für Damenunterwäsche alles an optischer Stimulation boten, was seine Phantasie benötigte. (Am meisten reizten ihn reifere Frauen in Hüfthaltern.) Auch ohne die Kataloge hatte er glücklich im Dunkeln onaniert – der salzige Geschmack von Mrs. Havelocks behaarten Achselhöhlen schien auf seiner Zungenspitze zu liegen, und ihre wogenden Brüste waren weiche, schaukelnde Kissen, auf denen sein Kopf ruhte und die ihn in Schlaf wiegten; häufig träumte er auch von ihr. (Zweifellos leistete Mrs. Havelock in den ersten Jahren zahllosen Exonianern, die damals die Academy besuchten, diesen Dienst.)
    Doch inwiefern war Mrs. Cole ein Zombie? Eddie sah dem Fahrer des Muschellasters zu, wie er einen Hot dog verspeiste und ihn anschließend mit Bier hinunterspülte. Obwohl Eddie Hunger hatte, da er seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte, verdarben ihm das leichte Schlingern der Fähre und der Dieselgestank den Appetit. Hin und wieder erbebte das obere Deck, und die ganze Fähre schwankte. Hinzu kam, daß Eddie genau in Abzugsrichtung des Schornsteins saß. Allmählich wurde er etwas grünlich. Besser ging es ihm, sobald er auf dem Deck herumspazierte, und als er einen Abfallkorb entdeckte und die Gelegenheit nutzte, um das Kuvert seines Vaters mit den Namen und Adressen sämtlicher in den Hamptons lebender Exonianer wegzuwerfen, munterte ihn das deutlich auf.
    Dann tat Eddie etwas, wofür er sich nur ein kleines bißchen schämte: Er schlenderte zu dem Fahrer des Muschellasters hinüber, den seine Verdauung zu quälen schien, und entschuldigte sich beherzt für seinen Vater. Der Mann unterdrückte einen Rülpser.
    »Mach dir nichts draus, mein Junge«, sagte der Mann. »Wir haben alle Väter.«
    »Ja«, antwortete Eddie.
    »Außerdem«, philosophierte der Lastwagenfahrer, »macht er sich wahrscheinlich nur Sorgen um dich. Hört sich gar nicht so einfach an, der Assistent von so ’nem Schriftsteller zu sein. Ich kapier nicht, was du da machen sollst.«
    »Das kapier ich auch nicht«, gestand Eddie.
    »Magst du ’n Bier?« fragte der Fahrer, aber Eddie lehnte höflich ab; jetzt, wo es ihm besserging, wollte er nicht noch einmal grün im Gesicht werden.
    Nach Eddies Ansicht gab es auf dem oberen Deck keine Frauen oder Mädchen, bei denen sich das Hinsehen lohnte; der Lasterfahrer war da offenbar anderer Meinung, denn er wanderte weiter auf der Fähre umher und sah sich sämtliche weiblichen Passagiere sehr genau an. Unter ihnen befanden sich zwei Mädchen, die mit dem Auto an Bord gekommen waren. Sie waren vollauf mit sich selbst beschäftigt, und obwohl sie höchstens ein oder zwei Jahre älter waren als Eddie, ließen sie ihn deutlich spüren, daß er in ihren Augen zu jung für sie war. Eddie schaute sie nur einmal an.
    Ein

Weitere Kostenlose Bücher