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Witwe für ein Jahr (German Edition)

Witwe für ein Jahr (German Edition)

Titel: Witwe für ein Jahr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Männern einzulassen. Außerdem war der im Titel erwähnte schlimme Freund eine keineswegs liebenswerte Kombination aus Scott Saunders und Wim Jongbloed. Daß dieser in sexueller Hinsicht zwielichtige Typ die Ruth-Figur (als die Hannah sie zweifellos bezeichnen würde) dazu überredet, eine Prostituierte mit einem Freier zu beobachten, würde Allan vermutlich weniger irritieren als die Tatsache, daß die sogenannte Ruth-Figur von unbezähmbarer sexueller Begierde überwältigt wird. Und die Scham, die sie anschließend empfindet, weil sie die Selbstbeherrschung verloren hat, bringt sie dazu, den Heiratsantrag eines Mannes anzunehmen, den sie nicht sexuell begehrt.
    Wie hätte Allan nicht gekränkt sein sollen angesichts der im Roman angedeuteten Gründe, weshalb die Autorin ihn geheiratet hatte? Daß die vier Jahre Ehe mit Allan die glücklichsten ihres Lebens gewesen waren, was Allan bestimmt wußte, konnte die, wie Ruth befürchtete, zynische Botschaft des Romans nicht entkräften.
    Ruth hatte ziemlich präzise erraten, welche Schlüsse Hannah aus Mein letzter schlimmer Freund ziehen würde: nämlich daß ihre weniger abenteuerlustige Freundin eine Affäre mit einem jungen Holländer gehabt hatte, der sie dumm und dämlich fickte, während eine Prostituierte zusah! Eine denkbar brutale Demütigung für eine Frau, selbst für Hannahs Maßstäbe. Aber Ruth machte sich keine Gedanken über die Reaktion ihrer Freundin; sie war es seit langem gewohnt, Hannahs Interpretationen ihrer erfundenen Geschichten zu ignorieren oder von sich zu weisen.
    Diesmal jedoch lag der Fall anders: Ruth hatte einen Roman geschrieben, der bestimmt bei vielen Lesern und Rezensenten Anstoß erregen würde, vor allem bei den weiblichen, aber das störte sie nicht. Den einzigen Menschen, den sie auf gar keinen Fall kränken wollte, nämlich Allan, würde ihr neuer Roman wahrscheinlich am ehesten kränken!
    Der Abend, an dem Eddies Buchpremiere stattfand, erschien Ruth als günstiger Zeitpunkt, um Allan ihre Ängste zu gestehen. Sie hatte sogar schon erwogen, all ihren Mut zusammenzunehmen und ihm zu erzählen, was in Amsterdam geschehen war. Für so unanfechtbar hielt Ruth ihre Ehe.
    »Ich möchte anschließend nicht mit Hannah essen gehen«, flüsterte sie ihrem Mann bei Eddies Buchparty zu.
    »Essen wir denn nicht mit O’Hare?« fragte Allan.
    »Nein, nicht mal mit Eddie, auch nicht, wenn er uns einlädt«, hatte Ruth geantwortet. »Ich möchte nur mit dir essen gehen, Allan, mit dir allein.«
    Von der Buchparty weg nahmen sie ein Taxi und fuhren in das Restaurant, in dem Allan sie damals, ganz Kavalier, mit Eddie allein gelassen hatte – an jenem scheinbar so weit zurückliegenden Abend nach ihrer Lesung im 92nd Street Y und Eddies schier endloser Einführung.
    Es gab keinen Grund, warum sich Allan beim Wein hätte zurückhalten sollen; geschlafen hatten sie schon miteinander, und keiner von beiden mußte mehr fahren. Doch insgeheim wünschte Ruth, ihr Mann würde nicht so viel trinken. Sie wollte nicht, daß er angetrunken war, wenn sie ihm von Amsterdam erzählte.
    »Ich kann es kaum erwarten, daß du mein Buch liest«, begann sie.
    »Und ich kann es kaum erwarten, es zu lesen – sobald du damit fertig bist«, sagte Allan. Er war völlig entspannt. Es war wirklich der ideale Zeitpunkt, um ihm alles zu sagen.
    »Es hat nicht nur damit zu tun, daß ich dich und Graham liebe«, sagte Ruth. »Es hat damit zu tun, daß ich dir ewig dankbar sein werde, weil du mich vor dem Leben gerettet hast, das ich geführt habe …«
    »Ich weiß, das hast du mir schon gesagt.« Es hörte sich etwas weniger geduldig an als sonst, so als hätte Allan keine Lust, sich noch einmal anzuhören, daß sie sich als alleinstehende Frau wiederholt in Schwierigkeiten gebracht hatte; daß sie, bis Allan kam, ihrem Urteil (in bezug auf Männer) nicht trauen konnte.
    »In Amsterdam …«, wollte sie sagen, überlegte sich dann aber, daß sie, wenn sie ehrlich sein wollte, mit Scott Saunders und ihrem Squashspiel – und dem Après-Squash-Spiel – anfangen mußte. Aber ihre Stimme ließ sie im Stich. »Es ist einfach schwieriger, dir diesen Roman zu zeigen«, machte sie einen neuen Anlauf, »weil mir deine Meinung ungleich mehr bedeutet als je zuvor; dabei hat sie mir schon immer viel bedeutet.« Sie redete schon wieder um den heißen Brei herum! Ihre Feigheit lähmte sie genauso wie damals in Rooies Wandschrank.
    »Entspann dich, Ruth«, sagte Allan und ergriff ihre

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