Witwe für ein Jahr (German Edition)
zumindest nicht für ihr Empfinden, hatte sie die Nase gestrichen voll von Eddies Junger-Mann-mit-älterer-Frau-Thema. Hannah war neununddreißig, genauso alt wie Marion damals, als Eddie sich in sie verliebt hatte.
»Ja, aber du warst sechzehn, Eddie«, rief Hannah ihm ins Gedächtnis. »Das ist eine Altersgruppe, die ich aus meinem Sexrepertoire gestrichen habe – ich meine, Teenager zu ficken.«
Hannah hatte Eddie zwar als Ruths wiedergefundenen Freund akzeptiert, aber er bereitete ihr in einem Maß Kopfzerbrechen, das über die übliche Eifersucht hinausging, die viele Leute den Freunden ihrer Freunde gegenüber empfinden. Hannah hatte Freunde und Liebhaber in Eddies Alter und älter gehabt – Eddie wurde im Herbst 1994 zweiundfünfzig –, und auch wenn er nicht Hannahs Geschmack entsprach, war er dennoch ein durchaus attraktiver älterer Mann und nicht homosexuell; trotzdem hatte er ihr nie Avancen gemacht. Hannah fand das mehr als beunruhigend.
»Weißt du, ich mag Eddie wirklich«, sagte sie wiederholt zu Ruth, »aber du mußt doch zugeben, daß mit dem Kerl was nicht stimmt.« Was nach Hannahs Ansicht »nicht stimmte«, war die Tatsache, daß Eddie jüngere Frauen aus seinem Sexrepertoire gestrichen hatte.
Ruth fand Hannahs »Sexrepertoire« nach wie vor bedenklicher als das von Eddie. Auch wenn Eddie einer absonderlichen Vorliebe für ältere Frauen frönte, war er darin doch zumindest wählerisch.
»Und ich bin in deinen Augen eine Art sexuelle Schrotflinte, willst du das damit sagen?« fragte Hannah.
»Die Geschmäcker sind verschieden«, entgegnete Ruth taktvoll.
»Hör zu, Baby, ich habe Eddie neulich an der Ecke Park Avenue und 89th gesehen. Er hat eine alte Frau in einem Rollstuhl vor sich hergeschoben«, sagte Hannah. »Und einmal habe ich ihn abends im Russian Tea Room gesehen, in Begleitung einer alten Dame mit orthopädischer Halskrause!«
»Vielleicht hatten die beiden einen Unfall. Es muß nicht unbedingt das Alter sein, vor dem sie kapituliert haben«, entgegnete Ruth. »Junge Frauen brechen sich auch mal ein Bein. Die im Rollstuhl ist vielleicht Ski gefahren. Und bei einem Autounfall kann man sich schnell ein Schleudertrauma holen …«
»Baby«, sagte Hannah eindringlich. »Diese alte Frau war an den Rollstuhl gefesselt. Und die mit der Halskrause war ein wandelndes Skelett. Ihr Hals war zu dünn, um ihren Kopf zu tragen!«
»Ich finde Eddie einfach süß«, war alles, was Ruth dazu sagte. »Du wirst auch mal alt, Hannah. Hättest du dann nicht auch gern so jemanden wie Eddie?«
Aber selbst Ruth mußte zugeben, daß Eine schwierige Frau ihre Bereitschaft, sich zeitweise auf Unwahrscheinliches einzulassen, über Gebühr strapazierte. Ein Mann Anfang Fünfzig, der eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Eddie besitzt, ist der Liebhaber einer Endsiebzigerin, die er auf Händen trägt. Sie schlafen miteinander inmitten eines beängstigenden Aufgebots an medizinischen Vorsichtsmaßnahmen und Unwägbarkeiten. Kein Wunder, daß sie sich in einer Arztpraxis kennenlernen, wo der Mann mit gemischten Gefühlen seiner ersten Dickdarmspiegelung entgegensieht.
»Weshalb sind Sie hier?« fragt die ältere Frau den jüngeren Mann. »Sie sehen eigentlich recht gesund aus.« Der Mann gesteht, daß er sich vor der bevorstehenden Untersuchung fürchtet. »Ach, seien Sie nicht albern«, meint die Frau. »Heterosexuelle Männer sind unglaublich feige, wenn sie penetriert werden sollen. Es ist wirklich nichts dabei. Ich habe bestimmt schon ein halbes Dutzend solcher Spiegelungen mitgemacht. Aber stellen Sie sich darauf ein, daß Sie ein bißchen Lachgas bekommen.«
Ein paar Tage später begegnen sich die zwei auf einer Cocktailparty. Die Frau ist so phantastisch angezogen, daß der Mann sie gar nicht erkennt. Außerdem nähert sie sich ihm auf beunruhigend kokette Art und Weise. »Als ich Sie das letzte Mal sah, waren Sie kurz davor, penetriert zu werden!« flüstert sie ihm zu. »Wie ist es denn gelaufen?«
Etwas befangen stammelt er: »Ach, sehr gut, vielen Dank. Sie hatten recht. Es ist nichts, wovor man Angst zu haben braucht!«
»Ich werden Ihnen was zeigen, was Ihnen angst macht«, flüstert ihm die Frau zu, und damit beginnt eine unerhört leidenschaftliche Liebesgeschichte, die erst mit dem Tod der alten Dame endet.
»Himmel noch mal«, sagte Allan zu Ruth nach der Lektüre von Eddies fünftem Roman. »Eins muß man O’Hare lassen: Dem ist wirklich nichts peinlich!«
Obwohl Allan Eddie
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