Wizards of Nevermore Bd. 1 - Eine Hexe in Nevermore
ignorierte den Schmerz, den ihr Zauber bei ihm auslöste. Göttin, sie war stark. »Liebes, hör auf. Hör auf.«
Tränen strömten über ihre Wangen, doch er spürte, wie sie sich beruhigte. Das Licht flackerte und wurde schwächer, bis es schließlich ganz verschwand. Um sie herum war jetzt nur noch dunkle Nacht, und Gray musste die Lichtpunkte wegzwinkern, die ihm vor den Augen tanzten. Die Hitze ebbte ab, verdampfte wie Wasser auf heißen Kohlen. Er hielt Lucy fest umschlungen, bis sie all ihre Magie freigesetzt hatte. Schließlich erstarben die Hitzeempfindungen, und sie ermattete in seiner Umarmung.
Während sie noch immer weinte, betrachtete Gray ihr Gesicht. Ihre Augen hatten ihre normale Farbe wieder angenommen, und glücklicherweise schien sie auch nicht mehr zu bluten. Die roten Striemen auf ihrem Gesicht und Hals sahen aus wie eine Kriegsbemalung. »Bist du okay?«
»In drei Tagen, ja.«
»Was?« Er sah sie fragend an.
»Ich habe meine magische Begabung benutzt. Dafür werde ich nun den Preis zahlen.«
»Welchen Preis? Lucinda, wofür …«
Ohne zu antworten, brach Lucinda schreiend in seinen Armen zusammen.
4. KAPITEL
Gray spürte Lucys verspannte Muskulatur und die Schmerzen, die ihren Körper schüttelten. Jetzt befreite sie sich aus seinen Armen und rollte sich auf die Knie. Dann erbrach sie sich ins Gras.
Er streckte die Hand nach ihr aus, doch sie kippte um, während sie von einem erneuten Anfall geschüttelt wurde.
Da verstand Gray.
Er war gerade Zeuge von Bernard Francos Fluch geworden. Indem Lucinda ihre Zauberkräfte angewandt hatte, quälte sie sich selbst auf schlimmste Weise. Gray hatte noch nie gesehen, wie sich ein Zauber gegen seinen Meister wandte. Er hatte Franco ja schon immer für ein wertloses Stück Dreck gehalten, aber der Typ war offensichtlich noch dazu ein widerlicher Sadist. Gray kauerte sich neben Lucinda, die sich stöhnend am Boden krümmte. Als er ihre Schultern berührte, schrie sie auf, als hätte er Säure über sie gekippt.
Verdammt! Sofort ließ er sie los, und sie rollte sich weg von ihm, zusammengekrümmt.
»Was kann ich tun, Lucy?«
Sie gab ihm keine Antwort.
Lucy hatte Marcy kaum gekannt und nichts unterlassen, um sie zu retten – und sie kannte den Preis, den sie dafür zahlen würde. Gray fühlte sich mies.
Er blieb so dicht wie möglich bei Lucy sitzen, jedoch ohne sie zu berühren, und suchte nach einem Medium für einen Kommunikationszauber. Ein Handy wäre in diesem Moment eindeutig praktischer gewesen, aber hier gab es nirgendwo Funkmasten. Die meisten Unternehmen mieden Städte, in denen zu viel Magie unterwegs war. Und wieso? Weil Magie und Technik einfach nicht zusammenpassten, obwohl es genügend Magische und Irdische gab, die sich darum bemühten, beides unter einen Hut zu bringen.
Um mit dem Sheriff Kontakt aufzunehmen, brauchte er Flüssigkeit. Er entdeckte eine Pfütze. Eigentlich wollte er Lucy nicht von der Seite weichen; andererseits schien seine Anwesenheit ihr auch nicht gerade gutzutun. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so hilflos gefühlt. Nein, das stimmte nicht ganz. Er war extrem hilflos gewesen, als er an diesen Opferstein gekettet aufgewacht war und seine Frau ihm einen Dolch gegen die Brust drückte.
So schlimm fühlte er sich jetzt nicht, aber fast.
Gerne hätte er Lucinda berührt, um sie zu trösten, aber das würde alles noch schlimmer für sie machen. Franco war sehr gründlich gewesen. Er setzte Lucy nicht nur körperlichen Qualen aus, sondern machte es ihr auch unmöglich, tröstende oder schmerzlindernde Gesten zu empfangen.
Gray stand auf, ging hinüber zu der Pfütze und kniete sich daneben auf die Erde. Er sammelte seine Magie und aktivierte schnell den Kommunikationszauber, den er über das Wasser schickte. Die schlammige Flüssigkeit nahm die roten Funken auf und absorbierte so den Zauber. Binnen weniger Momente erschien Taylor Moorelands Gesicht. Gray sah eine Kaffeetasse und einen Löffel und stellte fest, dass er den Sheriff zu Hause beim Abspülen antraf.
»Was ist los, Gray?«
»Marcy ist tot«, antwortete er. »Und Lucy … Lucinda Rackmore ist verletzt.«
»Wo bist du?« Taylors Stimme nahm sofort einen dienstlichen Ton an. In seinen Augen las Gray aber auch einen Schimmer von Sorge.
»Auf der Cedar Road, in der Nähe der Autobahnauffahrt.«
»In der Nähe ist ein Portal«, überlegte Taylor. »Und von hier brauche ich keine zehn Minuten zu dem Portal im Büro.«
Die Transportportale
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