Wo der Pfeffer wächst (Sonderpreis bis zum 31.07.2012) (German Edition)
verzieht sie das Gesicht. „Ich habe dir doch erzählt, dass er schwul ist.“
„Bisexuell“, berichtige ich sie. „Das ist etwas anderes.“
Endlich habe ich Chrissi so weit, sie einen Moment lang sprachlos zu machen. Ich habe es geschafft! Zeitgleich trifft auch die heiß ersehnte Whisky Cola ein, genau im passenden Moment, um auf meinen Triumph zu trinken. Chrissi denkt nämlich immer noch, dass Homosexualität eine Krankheit ist. Die Meinung vertrat sie schon zu unserer Teenagerzeit; das hat sich bisher nicht geändert. Trotzdem hat sie die Schule als Klassenbeste abgeschlossen ... Bis heute habe ich keine Ahnung, wie sie das angestellt hat. Im Landkreis Nirgendwo gibt es eben Dinge, die gibt es gar nicht. Davon abgesehen, finde ich es sehr schade, dass Chrissi mit Martin Schluss gemacht hat. Der ist nämlich wirklich nett. Und im Gegensatz zu den anderen Typen, denen Chrissi sich sonst immer an den Hals wirft, hatte ich den Eindruck, dass ihm tatsächlich etwas an ihr lag.
Als Chrissis Handy klingelt, strahlen ihre Augen. Verliebt nimmt sie das Gespräch entgegen, kichert und albert mit dem Anrufer, während ich meine getunte Cola leere und eine neue bestelle – nur ohne Cola.
Plötzlich legt sie auf, kramt in ihrem Portemonnaie und drückt der Serviererin, die gerade mein Getränk bringt, zehn Euro in die Hand.
„Ich muss los!“, verkündet Chrissi mit strahlenden Augen.
„Nico?“, frage ich beschwipst.
„Nein, Dennis“, freut sie sich. „Er will mich in einer Stunde abholen und mit mir zum Dance Club fahren.“
„Wer is‘n das jetzt schon wieder?“, lalle ich genervt und nehme einen großen Schluck von meinem Getränk.
„Na Dennis!“, wiederholt sie seinen Namen mit Nachdruck, als müsse mir das etwas sagen. „Der Typ, den ich neulich im Solarium kennengelernt habe. Der sieht vielleicht heiß aus, sage ich dir! Wenn er sich benimmt, läuft da heute vielleicht noch was. Allerdings muss ich ihn morgen rechtzeitig loswerden, denn Rene will gegen Nachmittag vorbeikommen und noch einmal mit mir reden.“
Empört lasse ich mein Glas sinken, es ist schon wieder leer.
„Sag mal ... Nico, Martin, Rene, Arne, Robert, Christoph, Steffen ... Hast du nicht langsam alle durch?“
Chrissi entgleiten die Gesichtszüge. „Du bist echt unglaublich, weißt du das? Nach allem, was ich für dich getan habe, könntest du dich wirklich mal ein bisschen für mich freuen!“
„Das werde ich, sobald du einem Kloster beitrittst.“
Schockiert greift Chrissi nach ihrem Autoschlüssel und verschwindet, und wie es der Zufall will, klingelt im gleichen Moment mein Handy.
Es ist Kim. In dem Bewusstsein, dass sie sich vergewissern will, ob ich in der Spaß Bar bin und Chrissi in der Nähe ist, ignoriere ich es. Abgesehen davon, dass Kim damals die Klassenschlechteste und Chrissi die Klassenbeste in unserem Jahrgang gewesen ist, haben die beiden nämlich jede Menge gemeinsam. Kim fragt auch nie, wie es mir geht. Entweder will sie über Chrissi tratschen oder sich über irgendeine ihrer zahlreichen Bettgeschichten ausheulen. Dabei sind das Typen, die sie erst eine Woche zuvor kennengelernt hat und die trotzdem die ganz große Liebe sind. Offenbar gedenkt sie jedoch nicht, aufzugeben und lässt mein Telefon immer weiter klingeln. Also gehe ich kurzentschlossen doch ran.
„Kein Anschluss unta diesa Numma!“, brabble ich in das Mikrofon und lege wieder auf.
Gelangweilt lasse ich meinen Blick durch die Spaß Bar schweifen und bin kein bisschen überrascht, dass Daniel jetzt mit der großen Schwester seines besten Freundes flirtet.
Wankend schlendere ich zu ihm rüber, werfe ihm mein letztes Bargeld auf den Tisch und säusle: „Du musst nachher zahlen. Ich verschwinde.“
Die Frischluft tut gut, und mir geht es viel besser, als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt des heutigen Tages. Frohen Mutes nehme ich den Heimweg auf und versuche dabei, „ Singing in the Rain “ zu singen, obwohl keine einzige Wolke am Himmel ist. Als eine Katze mit einstimmt und die Hunde der umliegenden Wohnhäuser heulen, verstumme ich und lasse mich auf einer Parkbank nieder.
„Die Sterne sind voll schööhöön!“, rufe ich in die Nacht hinaus. Und da ich die Klagerufe der gequälten Katzen und Hunde schon wieder vergessen habe, fange ich an „ 99 Luftballons “ zu trällern. Plötzlich werde ich unterbrochen.
„Natalie?“, tönt es durch die Nacht.
„Anwesend!“, rufe ich so laut, dass es durch halb Kaff-Einödenheim
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