Wo der Pfeffer wächst (Sonderpreis bis zum 31.07.2012) (German Edition)
allesamt ganz nett, trotzdem finde ich es anstrengend, weil sie die ganze Zeit über nichts anderes, als die Bundeswehr reden. Und wenn sie damit durch sind, kommen irgendwann Autos und „alte Zeiten“ dran. Für ihn und seine Freunde sind das tolle Themen, doch ich persönlich verstehe weder etwas von der Bundeswehr noch von Autos. Und damals bin ich auch nicht dabei gewesen.
Dieser Freundeskreis ist unter anderem auch ein wesentlicher Grund, warum Daniel nicht aus dem Landkreis Nirgendwo wegziehen möchte. Er sagt immer, dass er hier einen tollen Job, seine Familie und seine Freunde habe. Für die Wochenenden mag das zutreffen, denn genau genommen haben auch all seine Kumpels längst die Flucht aus Nirgendwo ergriffen und sind unter der Woche quer durch halb Deutschland verteilt. Aber wie wird das einmal sein, wenn sie irgendwann ihre eigene Familie gründen? Einerseits könnte es passieren, dass der eine oder andere endgültig nach Nirgendwo zurückkehrt und hier sein Glück versucht. Andererseits – und diese Möglichkeit erscheint mir sehr viel wahrscheinlicher – könnten sich seine Freunde dann vollkommen aus Nirgendwo zurückziehen, denn vor allem jobtechnisch gesehen, ist das hier der Arsch der Welt.
Genau genommen ist sein Standpunkt, an diesem Ort den Rest seines Lebens verbringen zu wollen, ein weiterer Grund, weshalb ich einer gemeinsamen Zukunft mit ihm eher skeptisch gegenüber stehe. Allerdings sind unsere Ausgangspunkte auch völlig verschieden. Zum einen habe ich momentan keinen Job und zum anderen auch keine wirklichen Freunde. Zwar bezeichne ich einige Leute als meine Freunde, doch im Grunde sind es eher Bekanntschaften.
Das ist nicht immer so gewesen. Vor meiner Beziehung mit Daniel war ich sehr gut mit einem Pärchen, Max und Mia, befreundet. Allerdings ist mir deren positive Denkweise mit der Zeit immer unheimlicher geworden. Obwohl die beiden schon vor einer ganzen Weile zusammengezogen sind, lässt Mias Schichtarbeit nicht allzu viel gemeinsame Zeit zu. Trotzdem wuppen sie ihre Beziehung jetzt schon seit mehr als sechs Jahren. Und wenngleich es auch keinerlei Zweifel daran gibt, dass sie wie füreinander geschaffen sind, ist es doch merkwürdig. Ich persönlich kenne nämlich kein einziges Paar, das so perfekt miteinander harmoniert. Manchmal scheint es, als wären sie einem Bollywood-Film entsprungen. Aller Schwierigkeiten zum Trotz meistern sie ihr Leben immer mit einem breiten Grinsen. Glücklicherweise tanzen und singen sie dabei nicht. Bei Mia wäre dies zwar kein Problem, doch ich habe Max schon einmal bei Play Station Sing Star erlebt. Das ist alles andere als ein Geschenk gewesen. Und obwohl damals die Nachbarn geklingelt und darum gebeten haben, die Schiefertafel zu einer anderen Tageszeit mit einer Drahtbürste zu foltern, liebt Mia ihn. Entweder hat sie etwas mit den Ohren oder aber das ist die größte Art von Toleranz, welche ich je die Ehre hatte, erleben zu dürfen.
Mehr als einmal habe ich bereits versucht, in Erfahrung zu bringen, ob es irgendwann auch Auseinandersetzungen oder Unstimmigkeiten zwischen ihnen gab, doch sie verneinen meine Fragen diesbezüglich immer wieder.
Meiner Mutter zufolge existiert aber keine perfekte Beziehung. Sie sagt, dass so etwas mehr Schein als Sein ist. Allerdings glaubt sie auch, dass alle im TV ausgestrahlten Fälle von Richterin Barbara Salesch absolut authentisch und nicht im Mindesten fiktiv oder nachgestellt sind. Das sei zu einhundert Prozent echt und zu einhundert Prozent live. Besonders lustig ist es immer, wenn sie die Folgen lauthals kommentiert und den Schauspielern gegenüber irgendwelche Flüche ausspricht, denen Horst mit einem vehementen Nicken beipflichtet. In diesem Zusammenhang habe ich beschlossen, ihre Meinung generell lieber skeptisch zu werten – in jeder Hinsicht.
Daniel kann mit Max und Mia auch nicht besonders viel anfangen. Vielleicht liegt es daran, dass Max sein Geld nicht mit vollen Händen zum Fenster hinauswirft und sich keinen Deut ums Auto-Tuning schert. Oder Daniel ist von so viel positiver Energie ebenfalls überfordert. Was auch immer es letzten Endes gewesen sein mag, habe ich es diesem Umstand zu verdanken, dass meine Freundschaft mit Max und Mia weitestgehend eingeschlafen ist. Hier sind Daniel und ich – wie in so vielen anderen Punkten auch – wieder einmal nicht auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen gewesen.
Das Einzige, was ich mit ihm gemeinsam habe, ist, dass meine Familie hier lebt.
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