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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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Mylady.«
    »Bring den Jungen nach Hause, Annie, Françoise soll ihm etwas zum Essen und Anziehen geben. Steck ihn in eine Wanne, wenn du kannst, und leg ihn dann in Pierres Bett. Er sieht müde aus.«
    »Du kannst nicht jeden Streuner in London adoptieren, Diana.« Matthew rammte den Dolch in die Scheide, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen.
    »Françoise könnte jemanden brauchen, der für sie Besorgungen erledigt.« Ich strich dem Jungen das Haar aus dem Gesicht. »Willst du für mich arbeiten, Jack?«
    »Aye, Mistress.« Jacks Magen knurrte hörbar, und in seinen argwöhnischen Augen glomm Hoffnung auf. Mein Hexenauge öffnete sich weit und sah seinen leeren Bauch und die dürren, zitternden Beine. Ich zog ein paar Münzen aus meinem Beutel.
    »Kauf ihm unterwegs ein Stück Kuchen bei Master Prior, Annie. Er fällt vor Hunger fast um, aber das müsste ihn auf den Beinen halten, bis Françoise ihm etwas Richtiges zu essen macht.«
    »Ja, Mistress«, sagte Annie. Sie packte Jack am Arm und schleifte ihn in Richtung Blackfriars.
    Matthew sah ihnen stirnrunzelnd nach und dann mich an. »Du tust dem Kind keinen Gefallen. Dieser Jack – falls er wirklich so heißt, was ich bezweifle – wird das Jahr nicht überleben, wenn er weiter stiehlt.«
    »Der Junge wird die Woche nicht überleben, wenn nicht ein Erwachsener die Verantwortung für ihn übernimmt. Was hast du noch mal gesagt? Liebe, ein Erwachsener, der sich um sie kümmert, und ein weicher Platz zur Landung?«
    »Versuch nicht, mich mit meinen eigenen Worten zu schlagen, Diana. Dabei ging es um unser Kind, nicht um ein heimatloses Balg.« Matthew, der in den letzten Tagen für seinen Geschmack mehr als genug Hexen gesehen hatte, suchte eindeutig Streit.
    »Ich war selbst ein heimatloses Balg.«
    Mein Ehemann zuckte zurück, als hätte ich ihn geohrfeigt.
    »Jetzt kannst du ihn nicht mehr so leicht wegschicken, wie?« Ich wartete seine Antwort gar nicht erst ab. »Wenn Jack nicht mit uns kommt, können wir ihn gleich zu Andrew Hubbard bringen. Dort bekommt er entweder einen Sarg angepasst oder dient als Abendessen. So oder so wäre er besser aufgehoben als hier draußen auf der Straße.«
    »Wir haben genug Dienstboten«, meinte Matthew kühl.
    »Und du hast genug Geld. Wenn du ihn dir nicht leisten kannst, zahle ich seinen Lohn aus meiner eigenen Tasche.«
    »Und dabei kannst du dir gleich ein nettes Märchen ausdenken, mit dem du ihn ins Bett bringst.« Matthew packte meinen Ellbogen. »Glaubst du etwa, ihm wird nicht auffallen, dass er mit drei Wearhs und zwei Hexen zusammenlebt? Menschenkinder sehen die Welt der Kreaturen immer viel klarer als Erwachsene.«
    »Glaubst du, Jack interessiert es, wer wir sind, solange er ein Dach über dem Kopf, einen vollen Bauch und ein Bett hat, in dem er nachts ungestört schlafen kann?« Von der anderen Straßenseite sah eine Frau neugierig zu uns herüber. Ein Vampir und eine Hexe sollten lieber nicht in aller Öffentlichkeit streiten. Ich zog die Kapuze tiefer ins Gesicht.
    »Je mehr Kreaturen wir hier in unser Leben lassen, desto komplizierter wird das alles«, sagte Matthew. Er bemerkte die Frau, die uns beobachtete, und ließ meinen Arm los. »Und das gilt doppelt für die Menschen.«
    Nach unserem Besuch bei zwei festen, tiefernsten Erdhexen zogen Matthew und ich uns an entgegengesetzte Enden des Hart and Crown zurück, bis sich unsere Gemüter abgekühlt hatten. Matthew nahm seine Post in Angriff, brüllte dabei nach Pierre und verfluchte dann inbrünstig die Regierung Ihrer Majestät, die Launen seines Vaters und die Idiotie des schottischen Königs. Ich brachte die Zeit damit zu, Jack in seine Pflichten einzuweisen. Der Junge bewies zwar großes Talent, wenn es darum ging, Schlösser zu knacken, fremde Taschen zu leeren oder Landeier raffiniert um ihr schwer verdientes Geld zu erleichtern, aber er konnte weder lesen noch schreiben, kochen, nähen oder irgendetwas anderes, womit er Françoise und Annie Arbeit abnehmen konnte. Pierre hingegen entwickelte ernsthaftes Interesse an dem Jungen, vor allem, nachdem er sein eigenes Amulett aus dem abgewetzten Wams des Jungen zutage gefördert hatte.
    »Komm mal mit, Jack«, sagte Pierre, öffnete die Tür und nickte in Richtung Treppe. Er wollte gerade losgehen, um die neuesten Berichte von Matthews Informanten einzusammeln, und hatte eindeutig die Absicht auszunutzen, dass unser jüngster Schutzbefohlener so vertraut mit Londons Unterwelt war.
    »Ja, Sir«, antwortete

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