Wo du nicht bist, kann ich nicht sein
dass ich auf eine so miese Art mit dir Schluss gemacht habe. Ich hoffe, du hasst mich nicht bis in alle Ewigkeit dafür.« Freya sah mich an wie ein kleines Mädchen, das beim Schokoladeklauen erwischt worden ist.
Ich wusste, was sie wollte, aber sie würde es nicht kriegen. Dieses eine Mal bestimmte ich, was gespielt wurde. »Du hast dich entschuldigt, und du ziehst einen mittellosen Fotografen einem zukünftigen Rockstar vor, gut, okay, willst du sonst noch was loswerden? Ich hab heute nämlich echt viel zu tun.«
»Du bist anders.« Sie sah mich mit gerunzelter Stirn an und legte den Kopf schräg. Eine Haarsträhne löste sich aus der Spange und fiel ihr auf die Schulter. Das versetzte mir einen kurzen Stich, und ich musste an früher denken, als Freya und ihre irren Haare für mich das Faszinierendste auf der Welt gewesen waren. »Ich weià nicht, wie, aber du bist anders.«
»So, na danke für diesen tiefen Einblick, Freya. Wir sehen uns irgendwann mal, okay?«
In meinem Zimmer nahm ich meine Gitarre und fing an zu spielen. Dabei dachte ich an Freya. Ich glaube, ein kleiner Teil von mir war noch immer in sie verliebt, aber eigentlich war ich erleichtert zu wissen, woran ich war â auch wenn es wehtat. Das könnte eine gute Geschichte für einen Song werden, wenn ich es schaffte, ein paar Worte aufzuschreiben, die zu der Melodie passten, die ich gerade klimperte. Ich schnappte mir mein Notizbuch. Zwei Stunden später hatte ich drei Strophen und einen Refrain und ich war aufgeregt. Ja, ich fand Musik wieder aufregend. Ich hatte gedacht, ohne Freya würde ich nie wieder ein Lied schreiben können, aber ich hatte mich geirrt. Die Inspiration und die Worte waren in mir â es hatte nur ziemlich lange gedauert, bis mir das klar geworden war.
Am Montag fielen im Zombie-Bus alle regelrecht über mich her. Jeder hatte von der Sache mit Freya und dem Mord gehört und wollte die Einzelheiten wissen. Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich es gut fand, so im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, deshalb verzog ich mich in der Mittagspause ins Computerlabor. Aber ich blieb nicht lange allein, Lucy kam rein. Ich seufzte.
»Hör mal, Lucy â¦Â«
»Wenn du Ruhe haben willst vor den Fragen ⦠wir spielen Karten in Raum 4.« Sie sah mich nicht an, als sie das sagte. »Du kannst gern mitmachen, wenn du willst.«
Wenn ich es mir recht überlegte, war Lucy die Einzige gewesen, die mich im Bus nicht belästigt hatte. Zu mir zu kommen erforderte eine gehörige Portion Mumm, nachdem ich ihr letztes Mal so eine Abfuhr erteilt hatte. Eigentlich war Lucy total in Ordnung.
»Vielleicht mach ich das. Danke.«
Als ich in meinen Klassenraum kam, wartete eine weitere Ãberraschung auf mich. Ganz hinten in meinem Fach lag das Ticket für die Schulparty. Offenbar hatte ich es vorher übersehen â und es sah ganz so aus, als ob ich auch noch einen zusätzlichen Getränkegutschein bekommen hätte. Darüber musste ich lächeln. Das Leben war zwar gerade nicht unbedingt groÃartig, aber es war doch nicht ganz so öde, wie ich gedacht hatte.
Rosalind
Freitag, 12. Dezember, 15.00 Uhr
In der Doppelstunde Kunst fing es drauÃen an zu schneien. Mein Platz war am Fenster, und während ich zusah, wie sich ein weiÃer Teppich über den Schulhof legte, dachte ich an den Anruf, den ich gestern bekommen hatte. Unsere Kunstlehrerin musste bemerkt haben, dass ich nicht bei der Sache war, aber sie meckerte mich nicht an. Das Projekt, an dem ich arbeitete â von Retro-Klamotten inspirierte Bilder â, lief gut, ich hatte nachmittageweise dafür recherchiert. Wenn mich jemand fragte, wie ich darauf gekommen war, zuckte ich nur mit den Schultern.
Am Ende der Stunde wusste ich immer noch nicht, was ich von dem Anruf halten sollte. Als wir durch den Haupteingang nach drauÃen gingen, fragte Abby: »Hast du Lust, heute Abend zu mir zu kommen?«
»Vielleicht â wenn ich mit dem Hund drauÃen gewesen bin.« Da entdeckte ich auf der anderen StraÃenseite jemanden. Eine Gestalt, die in dem Strom von Schülern verloren wirkte und, bei den Temperaturen ohne Mantel, ziemlich verfroren.
»Schnell.« Ich packte Abbys Arm.
Aber er hatte mich entdeckt und kam schon auf mich zu. Ich blieb stehen, mit möglichst ausdruckslosem Gesicht. Als er bei uns war, sagte ich: »Hallo.«
Jonathan lächelte
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