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Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen

Titel: Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Walter
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aber so ist das, wenn man sich auf eine Reise nach Island begibt. Schnell wachsen der Fantasie Flügel beim Anblick dieser Natur. Dafür muss man sich nur einmal historische Landkarten ansehen. Dort speien Vulkane an Land Feuer und im Meer tummeln sich Ungeheuer. Pferde mit Drachenschwänzen und Fische, die wie Dinosaurier aussehen, mit Raubtierpranken, fiesen Zähnen und Wasserfontänen, die aus ihren Köpfen sprudeln.

    Aber von vorn. Es ist Sonntag, der 30. März 2003, und ich fliege zum ersten Mal nach Island. Ich habe ein Stipendium. Für ein paar Monate soll ich als Journalistin in Reykjavík leben und arbeiten. Beim Morgunblaðið , dem »Morgenblatt«, der damals größten isländischen Tageszeitung. Ich habe zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung, dass ich immer wieder auf diese Insel zurückkehren werde, weil mich dieses Land seitdem nicht mehr loslässt.
    Viel weiß ich damals nicht von Island. Außer, dass Björk hier herkommt, die berühmte Sängerin mit der heiser-verwunschen Stimme, der extravaganten Musik und den wilden Kostümen. Eine Freundin von mir träumt von der Insel, weil sie als Kind so gern Nonni und Manni guckte. Eine andere wegen Björk und der Band Sigur Rós . Wieder eine andere wegen der Gletscher und Vulkane. Ich möchte einfach mal raus. Und wissen, wie sich das obere Ende Europas anfühlt. Dort, wo die Natur noch ungezähmt ist.
    Natürlich habe ich mich vorher schlaugemacht. Island ist die größte Vulkaninsel der Welt und nach Großbritannien der zweitgrößte Inselstaat Europas – wenngleich das Land so weit oben und so weit westlich im Nordatlantik liegt, dass man dort gefühlt schon halb in Nordamerika ist. Island hatte damals knapp 300 000 Einwohner, heute sind es gut 20 000 mehr. Das entspricht ungefähr der Einwohnerzahl Bonns, Mannheims oder Bielefelds. Dabei ist es ein ganzer Staat.
    Und in dem wohnen fast alle an einem Fleck: Zwei Drittel der Bevölkerung wohnen im Ballungszentrum in oder um die Hauptstadt Reykjavík herum. Der Rest des Landes ist nur spärlich besiedelt. In Island leben drei Menschen pro Quadratkilometer, bei uns sind es 229. Die gesamte Fläche der Insel beträgt 103 000 Quadratkilometer, das ist ungefähr so groß wie die Fläche
der ostdeutschen Bundesländer oder die von Bayern und Baden-Württemberg zusammengerechnet. Die Landesmitte ist unbewohnt, weil sie ein Reich aus Lavafeldern, Gletschern und Vulkanen ist. Eine Ödnis, in der es sich schlecht leben lässt. Vom Flugzeugfenster aus schaue ich auf die Südküste, an der wüste Wellen auf dunkle Strände zurollen.
    Auf der Landzunge Reykjanes im Südwesten Islands, an deren Spitze der internationale Flughafen Keflavík liegt, ragen schneebedeckte Berge aus einer Ebene aus Lava. Reykjanes befindet sich direkt auf dem mittelatlantischen Rücken, der sich diagonal von Südwesten nach Nordosten über die Insel zieht und Island so vulkanisch macht. Denn hier, mitten im Land, driften die Kontinentalplatten Nordamerikas und Europas auseinander. Jedes Jahr um ungefähr zwei Zentimeter, weshalb die Erde dort regelmäßig rumort und Magma spuckt, um die Lücke wieder zu schließen. In Island ist man dicht dran am heißen Herz der Welt. Vor dunklen Bergen tänzeln weiße Schwaden aus Dampf.
    Die Landung verläuft noch normal. Doch dann geschieht etwas Eigenartiges. Kaum raus aus der Maschine sind plötzlich so gut wie alle, die an Bord zuvor noch Isländisch sprachen, verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Es dauert, bis sie am Rollband erscheinen, das sich längst dreht und die Koffer ausspuckt. Was haben sie nur so lange gemacht?
    Die Antwort: Sie waren im Duty-free-Geschäft, fast alle von ihnen. Ein paar Tage später werde ich begreifen, wieso. Das Land hat eine der höchsten Alkoholsteuern Europas. »Jemandem einen auszugeben, ist in anderen Ländern eine Einladung«, sagte mal jemand zu mir. »Bei uns ist es eine Investition.« Was die Isländer wohlgemerkt trotzdem nicht davon abhält, spendabel zu sein. Und das, obwohl ein Glas Wein im Restaurant damals knapp zehn Euro kostet und ein Bier in der Bar rund sieben.

    Ein paar Wochen später werde ich noch etwas verstehen, nämlich, weshalb man mich am Flughafen so gründlich filzt, meine Wanderstiefel durchleuchtet, mich und meinen Koffer von oben bis unten checkt. Aber dazu später. Wenn es um Gefängnisse geht.
    Zunächst bin ich frei. Ich schiebe meinen Rollwagen, auf dem so entzückend »Velkomin heim« (willkommen zu Hause) steht, Richtung Ausgang.

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