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Wo geht's hier nach Arabien

Titel: Wo geht's hier nach Arabien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Springer
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auszuschließen, sind unter den Deutschen auch ein paar Österreicher und Schweizer dabei. Man kennt sie alle.

Kaiser Wilhelm II.
    Wo: Berlin– Jerusalem und zurück
    Wann: 11.Oktober 1898 bis 1.Dezember 1898
    Warum: Pilgerfahrt (Ausrede), Größenwahn (Wahrheit)
    E in Kaiser reist anders. Die erniedrigenden Vorbereitungen einer Orientreise bleiben ihm erspart.
    Wir Normalblütigen stapeln Reiseprospekte am Klo, streiten über Reiseziel, Strandnähe und Poolgröße, besorgen Kohletabletten und Sagrotantücher und bekommen am Ende doch nicht den sorgfältig ausgewählten Wunschplatz in Flugzeug, Zug oder Schiff, obwohl wir ihn seit Monaten reserviert, bezahlt und sogar schriftlich bestätigt bekamen! Der Nervenzusammenbruch am Schalter ist dem Kaiser unbekannt.
    Natürlich wird auch bei Kaisers gebucht und geplant.Aber das besorgen Oberhofmarschälle, Kammerdiener, Leibdiener, Reisehusaren und Regimenter von Flügeladjutanten, Reisekoffergenerälen und Hutschachtelleutnants.
    Am 11.Oktober 1898 geht es los. Erste Station ist Konstantinopel, die Hauptstadt des Osmanisches Reiches und gleichzeitig Sitz » des Herrschers über die Gläubigen«, wie sich der Sultan seit Jahrhunderten nennen darf. Kaiser Wilhelm II. ist 39 Jahre alt und seit zehn Jahren Deutscher Kaiser. Er gilt als exzentrisch und arrogant. Seine schwierigen Wesenzüge führt man zurück auf seine Behinderung. Sein linker Arm ist verkürzt. Mit Apparaturen, Tinkturen und einer Vielzahl anderer Kuren versucht seine Mutter, den Arm des Kindes in die normale Länge zu ziehen . Alles misslingt. Seither gilt es, den Arm zu verstecken. Der kurze Kaiserarm ruht in der Öffentlichkeit auf dem Säbel, hinterm Rücken, auf dem Sattelknauf, doch jeder wusste, was man nicht sehen sollte.Als Ablenkung dient die Verkleidung. Was heute im Fasching getragen wird, war damals des Kaisers offizielle Garderobe. Die Tropenuniform, die er sich im Vorfeld seiner Orientreise schneidern lässt, ist dabei noch die harmloseste Variante.
    Â» Die Palästinafahrt Seiner Majestät« ist als Pilgerfahrt getarnt. Schon der Vater des Kaisers bereiste das Heilige Land. Dieser nutzte eine Einladung zur Eröffnung des Suezkanals im Jahr 1869 für einen Abstecher nach Jerusalem, natürlich » als Pilger«, und übernahm als Geschenk des Sultans die ehemalige Johanniterkirche, die allerdings nichts anderes als eine mit Schutt gefüllte Ruine war.
    Nun also der Sohn. Der offizielle Zweck der Reise, nämlich die evangelische Erlöserkirche in Jerusalem einzuweihen, ruft die deutschen » Reisebureaus« auf den Plan. Für horrende Summen bieten sie Sonderfahrten und Festreisen an, die dem Gast das Gefühl vermitteln sollen, im Begleittross des Deutschen Kaisers zu reisen. Seit dem letzten Kreuzzug war keine derartige Heerschar mehr an der levantinischen Küste gelandet. Über tausend offizielle Begleiter, ungezählte Adabeis, alleine 100 Zelte zur Unterbringung des Wachpersonals. In Haifa wurde ein Hafen neu gebaut, und es wurde vorgeschlagen, die Jerusalemer Stadtmauer einzureißen, damit der Kaiser wie einst der Erlöser in die Stadt einreiten könne. Zutiefst entrüstet gab sich der kaiserliche Pilger, als man ihm politische Ambitionen unterstellte. Vielleicht rührten diese infamen Vermutungen von der Passagierliste. Der Herr von Siemens, der Chef der Deutschen Bank, Generaldirektoren der Industrie, Ingenieure und Vertreter bekannter deutscher Firmen » pilgerten« mit dem Kaiser. Schließlich war der Suezkanal, die geniale Verkürzung des Seewegs nach Asien, in englischer Hand und damit die Welt willkürlicher Schließung und Bezollung durch die Queen ausgeliefert. Darüber hinaus war Sultan Abdul-Hamid, der Herrscher über das absterbende Osmanische Reich, durch seine am armenischen Volk verübten Gräueltaten in internationale Ungnade gefallen. Diese Chance lässt man in Berlin nicht ungenutzt. Wen alle Welt nicht mag, mit dem lässt sich leicht Freund werden. Der Kaiser schließt Blutsbrüderschaft mit dem Sultan und sichert sich damit den ungehinderten Ausbau der Bahnstrecke von Berlin nach Bagdad und damit an den Persischen Golf. Schließlich will man Weltmacht werden und mit den Großen mitspielen. England hat das Meer, Deutschland die Bahn. Das kann nicht gutgehen. Die englische Königin ist die Großmutter des Deutschen Kaisers, das

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