Wo geht's hier nach Arabien
sagt, sie hat sich ihre Freunde bisher immer selbst ausgesucht. Streit.
Um die Kinder einmal in der Woche der Frischluft zuzuführen, ist eine gröÃere mehrstündige Anstrengung nötig. Unter der Woche bleibt dafür keine Zeit. Denn da werden die Kinder von der vollklimatisierten Wohnung in den vollklimatisierten Fahrstuhl verfrachtet, unten angekommen in der klimatisierten Garage hinein ins klimatisierte Auto gesetzt, um dann eine halbe Stunde später in der Tiefgarage unter der vollklimatisierten Schule zu parken. Abends geht es vollklimatisiert wieder zurück. » Noah-Damian, bitte mach sofort das Fenster wieder zu, da kommt Luft herein!«
Skifahren wäre da genau das Richtige. Der Skiberg ist aber erst recht klimatisiert, klar, sonst gäbe es ja im Hochsommer auch keinen Skiberg am Persischen Golf.
Schnee gibt es erst seit kurzem in Dubai. Eigentlich gibt es alles erst seit kurzem in Dubai. Die gesamte Evolution, wie das Leben aus dem Wasser kroch, die Amphibien die Erde bevölkerten, die Eiszeit, die ersten Menschen, Steinzeit, Feuer, Bronzezeit, all dies ging an Dubai vorbei. Es war dort nichts. Und davon unendlich viel. Ein wunderschöner vom Meer umspülter Sandstrand. Bis vor 200 Jahren. Da kämpften Beduinen im Landesinneren bis aufs Blut um die wenigen Oasen, die Sieger blieben an der Oase, die Verlierer wurden bis ans Meer getrieben und blieben dort hocken, weil sie als Beduinen vom Schiffsbau keine Ahnung hatten. Die Familie der Verlierer hieà Maktoum. So heiÃen sie heute noch, und sie regieren an derselben Stelle in der x-ten Generation. Seit 1966, als unter ihren Hütten das Ãl entdeckt wurde, blicken sie verächtlich auf die Nachfahren jener Oasengewinner.
Nikola bekommt Kopfschmerzen. Es ist überall viel zu laut. Dubai boomt eben. Deswegen stehen zwölf Kräne vor dem Schlafzimmerfenster und achtzehn vor der Wohnzimmeraussicht. Olaf richtet Nikola einen Internetzugang ein, DSL, Outlook, Virenschutz, Photoshop für die Kinderbilder. Es gibt Dubai-Foren, das heiÃt, fremde Menschen unterhalten sich im Internet über Dubai. Da gibt es die neugierigen Zuhausebleiber, die wissen wollen, ob es wirklich Kohle zu machen gibt und wie viel, und ob es wirklich warm ist, ob es wirklich nicht weit zum Meer ist. Und dann gibt es die deutschen Dubai-Bewohner, die voneinander wissen wollen, wo man an Weihnachten Dresdner Stollen herbekommt. Eine Familie hat Kätzchen abzugeben. Die Krabbelgruppe ist neu, zwei haben sich schon angemeldet. Es gibt eine » Gartengruppe«, die Tipps weitergibt für die Zeit danach, wenn man sich von der Dubai-Knete zu Hause im Westerwald die 3000 Quadratmeter leisten kann. Es gibt die » Dubai-Frauengruppe«, es gibt sie tatsächlich, die unter anderem Kinoabende so anbietet: » Bei einem privat organisierten Filmabend werden deutschsprachige Filme aus deutscher Produktion gezeigt. Dabei findet das Treffen unregelmäÃig, in einem privaten Rahmen statt; abhängig davon, ob jemand gerade eine neue DVD zur Verfügung stellen möchte.«
Kürzlich wurden gezeigt : Der Untergang, Das Leben der Anderen, Nordwand. Also Hitler, Stasi und Tod in der Eigerwand. Gerade das Richtige gegen Heimweh und Melancholie.
Alle paar Wochen werden die Neulinge in der deutschen Exilgemeinde begrüÃt. Meistens auf der Terrasse irgendeines Hotelrestaurants mit dem Blick auf unfertige Wolkenkratzer und krächzende Kräne. Stolz präsentieren die Alten den Jungen » ihr« Dubai. Von Baulärm ist nicht die Rede, im Gegenteil, deswegen ist man ja da, Dubai boomt. Es gibt den üblichen Schnellkurs für Neuankömmlinge: Die kleinsten Hausnummern beginnen am Meer und steigen an in Richtung Landesinnere, der Italiener am Märtyrerplatz ist kein Italiener, sondern Taiwanese, und die billigsten Windeln gibt es da und da. Und wenn Dubai bald fertig ist, kann man mit den Kindern durch Dubai-Venedig fahren, auf echten Gondeln, klimatisiert, und zu einem McDonaldâs-Ruder-in.
Die Outdoor-Allwetter-Rattan-Möbel sind gemütlich, im Hintergrund raunzt sich Seal durch die CD » Dubai-Lounge1«, aus den Bang&Olufsen-Boxen wird alle zwei Minuten Parfüm über die Gruppe gesprüht. Dann werden Wasserpfeifen gereicht, und man plaudert, redet, auch über die Scharia. Das muss man wissen, auf Transvestiten und Homosexuelle warten hohe Gefängnisstrafen. Ein 15-jähriger Franzose wurde vor ein
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